Prof. Dr. Hans-Joachim Böcking, Roman Mala'ebeh
Tz. 147
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Zentral für die Bestimmung des Passivierungszeitpunkts nach IAS ist die Voraussetzung der Unentziehbarkeit. Am Bilanzstichtag darf sich ein Unternehmen seiner aufgrund eines vergangenen Ereignisses (past event) entstandenen gegenwärtigen Verpflichtung (present obligation), die Restrukturierung auszuführen, nicht mehr entziehen können. Basis für die gegenwärtige Verpflichtung ist die Bindungswirkung des Restrukturierungsvorhabens; Grundlage für das vergangene Ereignis sind die Restrukturierungsbeschlüsse (vgl. Moxter, BB 1999, S. 522). Allerdings muss die Durchführung des Restrukturierungsplans durch das Unternehmen baldmöglichst nach seiner Aufstellung begonnen werden und innerhalb eines Zeitraums abgeschlossen werden, der wesentliche Änderungen des Plans unwahrscheinlich macht. Diese Forderung deckt sich mit der Bedingung in IFRS 5, wonach die Aufgabe eines Geschäftsbereichs grundsätzlich innerhalb eines Jahres abgewickelt und realisiert sein soll (vgl. Tz. 32ff.). Verzögert sich die Durchführung des Plans in starkem Maße oder dauert die Restrukturierung unverhältnismäßig (unreasonably) lange, werden die von dem Plan Betroffenen wahrscheinlich nicht darauf vertrauen, dass sich das Unternehmen weiter an den Plan gebunden fühlt, da das Unternehmen Gelegenheit hat, Änderungen des Plans vorzunehmen (IAS 37.74). In diesem Sinne heißt es in IAS 37.74: eine Restrukturierung "needs to be planned to begin as soon as possible and to be completed in a timeframe that makes significant changes to the plan unlikely". Kann sich das Unternehmen am Abschlussstichtag der Verpflichtung nicht mehr entziehen, ist zwingend eine Rückstellung für Restrukturierungsmaßnahmen zu passivieren. Ansonsten erfolgt keine Passivierung; ggf. ist eine Eventualschuld anzugeben.
Tz. 148
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
In den Fällen, in denen ein Unternehmen Details des Restrukturierungsplans erst nach dem Abschlussstichtag, aber noch vor der Freigabe des Jahresabschlusses zur Veröffentlichung verkündet, ist nach IAS 10 lediglich eine Angabe im Jahresabschluss des abgelaufenen Geschäftsjahres erforderlich, sofern die Restrukturierung so bedeutend ist, dass ein Verzicht auf die Angabe die Jahresabschlussadressaten in ihrer Prognose und Entscheidungsfindung beeinflussen würde (decision usefulness) (IAS 37.75 iVm. IAS 10.20–21; außerdem vgl. Tz. 133).