Prof. Dr. Jens Wüstemann, Dr. Sonja Wüstemann
Tz. 59
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Eine Leistungsverpflichtung muss nicht nur für sich betrachtet einen eigenständigen Nutzen aufweisen, sondern auch gegenüber anderen Vertragsleistungen konkret abgrenzbar sein (IFRS 15.27). Die separate Identifizierbarkeit ("separately identifiable") von Leistungszusagen innerhalb eines Vertrags beruht dabei konzeptionell auf der Beurteilung der einzelnen Vertragsrisiken (IFRS 15.BC105). Demnach ist die Eigenständigkeit von Gütern und Dienstleistungen nicht gegeben, wenn den jeweiligen Leistungsverpflichtungen dasselbe Risiko zugrunde liegt (IFRS 15.BC103). So sind bspw. bei Fertigungsaufträgen die verschiedenen, einzeln nutzbaren Leistungszusagen – wie das Projektmanagement und die Lieferung sowie Verarbeitung der Materialien – voneinander abhängig, da vertraglich ein Gesamtwerk geschuldet wird (IFRS 15.BC102; IFRS 15.IE45–48; vgl. Heintges et al., Erfahrungen aus der Anwendung, WPg 2015, S. 576). Das Risiko, dass eine Teillieferung oder -leistung nicht erbracht wird, wirkt sich dabei auf die Erfüllung der anderen Leistungsverpflichtungen aus (vgl. Heintges et al., Erfahrungen aus der Anwendung, WPg 2015, S. 576). Vergleichbar mit den werkvertraglichen Regelungen im deutschen Zivilrecht, hat eine Aufteilung der einzelnen Vertragsleistungen in diesem Fall zu unterbleiben (vgl. Wüstemann/Wüstemann, WPg 2014, S. 933).
Tz. 60
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Bei der Abgrenzung einzelner Leistungsverpflichtungen von anderen Vertragsleistungen sind alle Fakten und Umstände, wie bspw. die Kundenmotivation oder vertragliche Vereinbarungen (vgl. TRG, Agenda Paper No. 11, 2015, Tz. 24), sowie unterstützend die Indikatoren in IFRS 15.29 zu berücksichtigen (IFRS 15.BC105). Eine Konkretisierung der separaten Identifizierbarkeit erfolgt daher nicht in Form spezifischer Kriterien, sondern anhand einzelner, nicht abschließender Faktoren (IFRS 15.BC104(b); vgl. TRG, Agenda Paper No. 7C, 2015, Tz. 37). Die vom jeweiligen nationalen Rechtssystem unabhängig zu erfolgende Beurteilung eröffnet dabei zahlreiche Ermessensspielräume (IFRS 15.BC105; vgl. Wüstemann/Wüstemann, WPg 2014, S. 933; KPMG, 2014, S. 26).
Tz. 61
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Die separate Identifizierbarkeit ist indiziell nicht gegeben, wenn ein Unternehmen die geschuldeten Güter oder Dienstleistungen wesentlich miteinander verbindet, die einzelnen Leistungsverpflichtungen mithin der Erstellung eines (vertraglich vereinbarten) kombinierten Endprodukts dienen (IFRS 15.29(a)). Das erstellte Endprodukt kann dabei auch mehrere Elemente oder Einheiten umfassen (IFRS 15.29(a); IFRS 15.BC116M). Eine Beurteilung der Integrationsleistungen ist insbesondere bei Fertigungsaufträgen notwendig (vgl. Tz. 196), bei denen die Verbindung einzelner Komponenten häufig einen wesentlichen Vertragsbestandteil darstellt (IFRS 15.BC107). Konkretisiert wird das Merkmal der Wesentlichkeit in IFRS 15 indes nicht (vgl. Fink et al., DB 2012, S. 2000). Aufgrund der zugrunde liegenden Leitidee scheint eine Orientierung an den jeweiligen Vertragsrisiken jedoch sachgerecht. Eine Integrationsleistung sollte demnach als wesentlich einzustufen sein, sofern ihre Ausführung die Erfüllung der Leistungsverpflichtung gefährdet. Ist das Risiko für eine vertragsgemäße Erfüllung hingegen nur geringfügig, wie bspw. bei einer standardmäßigen, einfach durchzuführenden Installation einer Software (IFRS 15.BC108; IFRS 15.IE51), ist die Integrationsleistung als unwesentlich zu bewerten.
Tz. 62
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Bei der Beurteilung der Eigenständigkeit von Leistungsverpflichtungen im Vertragskontext ist außerdem zu überprüfen, ob die einzelnen Güter oder Dienstleistungen wesentlich modifiziert oder kundenspezifisch angepasst werden (IFRS 15.29(b)). Wenn ein Unternehmen individuelle Änderungen für einen Kunden vornimmt und folglich die einzelnen Leistungen aufeinander abstimmt, was gem. IAS 11.3 als Abgrenzungsmerkmal für Fertigungsaufträge diente (vgl. Brune, in: Beck’sches IFRS Handbuch, 5. Aufl., § 9, Tz. 8), spricht dies gegen eine Aufteilung in separate Leistungsverpflichtungen (IFRS 15.BC109 f.). Auch dieser Indikator beruht auf dem Prinzip der separierbaren Vertragsrisiken (IFRS15.BC106). So deutet zB die individuelle Programmierung einer Standard-Software zur Integration in das System des Kunden auf eine fehlende Separierbarkeit der einzelnen Leistungsverpflichtungen hin, da die Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistung – ein vollständig integriertes System – bis zur Ausführung der Systemanpassungen risikobehaftet ist (IFRS 15.BC110).
Tz. 63
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Die Abgrenzung einzelner Vertragsleistungen ist außerdem nicht möglich, wenn eine starke Abhängigkeit bzw. Wechselwirkung zwischen den jeweiligen Gütern oder Dienstleistungen besteht, das Unternehmen folglich die einzelnen Leistungsverpflichtungen nicht unabhängig voneinander erbringen kann (IFRS 15.29(c); IFRS 15.BC111 f.; IFRS 15.BC116K). So sind bspw. bei Telekommunikationsunternehmen der Verkauf eines Mobilfu...