Dr. Stefan Bischof, Prof. Dr. Sven Sterzenbach
Tz. 32
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
Die Aktivierung von Fremdkapitalkosten ist auszusetzen, wenn die Weiterentwicklung des qualifizierten Vermögenswertes für einen längeren Zeitraum unterbrochen wird (IAS 23.20), bspw. wenn die Herstellung aufgrund von ausstehenden Teilelieferungen, Fehlen finanzieller Mittel, Markteintrübungen, der Insolvenz eines mit der Herstellung beauftragten Unternehmens, eines (typischerweise) nicht vermeidbaren Baustopps oder aufgrund einer strategischen Entscheidung, etwa aufgrund der Eintrübung der Konjunkturaussichten, unterbrochen wird.
IAS 23 definiert nicht, wann ein "längerer Zeitraum" vorliegt. Unternehmen haben damit ein Ermessen bei der Entwicklung einer entsprechenden Bilanzierungs- und Bewertungsmethode auszuüben (zu sich hieraus ggf. ergebenden Angabepflichten vgl. Tz. 50).
Dh., finden über einen längeren Zeitraum hinweg keine Aktivitäten statt, um die qualifizierten Vermögenswerte für den betrieblichen Einsatz oder für ihren Verkauf fertigzustellen, so sind die Voraussetzungen für eine Aktivierung von Fremdkapitalkosten nicht mehr gegeben. Die in diesem "tätigkeitslosen" Zeitraum anfallenden Fremdkapitalkosten sind wie Kosten der Bevorratung (zB die Lagerung von unfertigen oder halbfertigen Vermögenswerten) zu behandeln und entsprechend in der Periode als Aufwand zu berücksichtigen, in der sie anfallen.
Tz. 33
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
Eine Unterbrechung des Aktivierungszeitraumes liegt jedoch nicht vor, wenn besondere Umstände diese rechtfertigen (IAS 23.21). Beispiele hierfür sind:
- Während der Periode wurden wesentliche technische oder verwaltungsmäßige Arbeiten durchgeführt.
- Die vorübergehende Unterbrechung der Aktivitäten beruht auf Naturereignissen, die in der geographischen Region, in der der Vermögenswert errichtet wird, regelmäßig auftreten, zB wenn während der Monsunzeit aufgrund der Regenfälle oder aufgrund harter Winter bestimmte Arbeiten (zB der Brückenbau) eingestellt werden müssen.
Die endgültige Fertigstellung oder Verkaufsbereitschaft von bestimmten Vermögenswerten kann naturgemäß einen gewissen Zeitraum (Reifezeit), zB die Lagerung von Vorräten wie Whiskey, Wein usw., erfordern. Da die Reifezeit notwendig ist, um den Vermögenswert nutzungsfähig bzw. verkaufsfähig zu gestalten, ist auch dieser Zeitraum vom Aktivierungszeitraum erfasst (wenngleich die praktische Relevanz für diese Produkte eher gering sein dürfte, da diese oftmals unter die oben (vgl. Tz. 3) beschriebene Ausnahmeregelung des IAS 23.4b fallen dürften).
Soweit für die Inbetriebnahme etwa einer Anlage eine behördliche Genehmigung erforderlich ist und es zwischen der Fertigstellung und der Erlangung der Genehmigung zu einer Verzögerung kommt, ist darauf abzustellen, ob diese Verzögerung vermeidbar war. Kann der Antrag bspw. erst nach Fertigstellung eingereicht werden, so ist in diesem Fall der Aktivierungszeitraum nicht zu unterbrechen (vgl. Deloitte 2019, Chapter A18.5.6.3.2–1).
Demgegenüber führt etwa ein Produktionsstopp aufgrund eines längerfristigen Streiks oder politischer Unruhen zu einem Aussetzen der Aktivierung von Fremdkapitalkosten (vgl. PWC, 2021, S. 22045).
Tz. 34
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
Die Aktivierung von Fremdkapitalkosten ist nicht deshalb auszusetzen, weil aufgrund eines niedrigeren erzielbaren Betrags oder Nettoveräußerungserlöses der Buchwert der qualifizierten Vermögenswerte diesen Werte übersteigen würde (vgl. Ernst & Young, 2021, Chapter 21.6.2.1). Niedrigere Werte als die Buchwerte sind gemäß den Bestimmungen anderer Standards durch entsprechende außerplanmäßige Abschreibungen zu berücksichtigen (vgl. Tz. 25).