Tz. 65

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Fraglich ist, welchen Verbindlichkeitsgrad die folgenden Verlautbarungen des Standardsetters haben:

(1) Vorwort (Preface to IFRS Standards),
(2) Einführende Erläuterungen (Introductions),
(3)

Anhänge (Appendices), die nicht integraler Bestandteil des Standards oder der Interpretation sind. Hierbei können folgende Elemente unterschieden werden:

(a) Grundlegende Schlussfolgerungen (Basis for Conclusions),
(b) Erläuternde Beispiele (Illustrative Examples; vgl. zB IFRS 3 oder IAS 32),
(c) Sonstige Anhänge, die nicht integraler Bestandteil des Standards bzw. der Interpretation sind und auch nicht explizit in IAS 8.7ff. aufgeführt werden (zB Information Note 1 und 2 zu IFRIC 12), abweichende Meinungen (Dissenting Opinions; vgl. zB zu IAS 19),
(4) Entwürfe von Standards und/oder Interpretationen (Exposure Drafts),
(5) Erläuterungen des Standardsetters zu abgelehnten Fragestellungen (Agenda Rejection Notices),
(6) Leitliniendokumente (Practice Statements) und
(7) Erläuterungen des IASB im IASB Update oder sonstige Verlautbarungen.
 

Tz. 66

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Ad (1)

In den Vorworten (Prefaces) sind die Ziele und Verfahrensregeln sowie der Anwendungsbereich und der Verbindlichkeitsgrad von Standards und Interpretationen erläutert. Zu Beginn eines jeden Standards oder Interpretation ist festgehalten, dass die jeweiligen Ausführungen ua. auch im Kontext des jeweiligen Vorworts zu lesen sind.

Bedeutung für die Anwendung von IFRS können die in den Vorwortern enthaltenen Regelungen zB in folgenden Punkten haben:

  • In IFRS Preface Tz. 14 wird klargestellt, dass fett- und normal gedruckte Textziffern in den einzelnen Standards den gleichen Verpflichtungsgrad haben. Die fettgedruckten Textziffern kennzeichnen lediglich die grundlegenden Prinzipien. Insofern gibt es innerhalb der Textziffern der einzelnen Standards keine verschiedenen Hierarchieebenen (vgl. Zülch, PiR 2005, S. 1).
  • In IFRS Preface Tz. 15 ist klargestellt, dass der maßgebende Wortlaut eines vom IASB verabschiedeten Diskussionspapiers, Entwurfs oder IFRS ausschließlich dem englischen Original zu entnehmen ist, wenn auch das IASB Übersetzungen in andere Sprachen anerkennen oder lizenzieren kann. Bedeutung erlangt diese Regelung dann, wenn in den anerkannten Übersetzungen Übersetzungsfehler enthalten sind. Vor allem für IFRS-Abschlüsse auf gesetzlicher Basis (vgl. Tz. 51) kann dies relevant werden, wenn Fehler in den amtlichen EU-Übersetzungen gegeben sind.
    Beispiel: IAS 8.36 "The effect of a change in an accounting estimate, other than a change to which paragraph 37 applies, shall be recognized prospectively by including it in profit or loss in …" wurde ursprünglich ins Deutsche wie folgt übersetzt: "Die Auswirkung der Änderung einer Schätzung, außer es handelt sich um eine Änderung im Sinne des Paragraphen 37, ist rückwirkend ergebniswirksam zu erfassen in …".
    Übersetzungsfehler dürfen auf EU-Ebene nicht dazu führen, dass Verlautbarungen des IASB materielle Änderungen erfahren. Dem Argument, dass amtliche EU-Übersetzungen geltendes Recht und somit anwendbar sind, ist entgegenzuhalten, dass auf EU-Ebene das englische Original im Rahmen des Komitologieverfahrens in geltendes europäisches Recht übernommen wurde. Zudem würde eine derartige Vorgehensweise zu Rechtsunsicherheit führen, da – je nach verwendeter Sprache – unterschiedliche Lösungen von Bilanzierungssachverhalten denkbar sind und dies dem Ziel der Vergleichbarkeit entgegenwirkt. Übersetzungsfehler mit materiellen Auswirkungen sind teleologisch zu korrigieren. Insofern sollte die verwendete Übersetzung immer im Zusammenhang mit dem englischen Original gelesen werden.

Ansonsten ist keine eigenständige Bedeutung des Vorworts für die Entwicklung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden ersichtlich.

 

Tz. 67

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Ad (2)

In den Introductions werden in der Regel Gründe für die Verlautbarungen, die wesentlichen Regelungsbereiche eines neuen bzw. geänderten Standards sowie die wesentlichen Änderungen gegenüber den bisherigen Regelungen dargestellt. Die Erläuterungen haben in der Regel rein deskriptiven und keinen materiellen Charakter. Insofern dürften in den Introductions keine zusätzlichen, über den eigentlichen Standard bzw. die eigentliche Interpretation hinausgehende materielle Regelung enthalten sein.

 

Tz. 68

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Ad (3)

Im Gegensatz zu Introductions können auch in Anhängen (Appendices), die nicht integraler Bestandteil eines Standards oder einer Interpretation sind, Regelungen mit materiellem Gehalt enthalten sein. Im Entwurf zur Überarbeitung von IAS 8 im Rahmen des Improvements Project 2005 waren diese Anhänge noch in der Hierarchie der anzuwendenden Normen enthalten (vgl. IAS 8.BC13). Weshalb diese in der endgültigen Fassung von IAS 8 (überarbeitet 2003) nicht mehr enthalten sind, wird nicht begründet; in IAS 8.BC 14 findet sich lediglich der Hinweis, dass Anhänge im Rahmen der Hierarchie nicht aufgeführt werden. Finden ein Standard oder ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Baetge, Rechnungslegung nach IFRS (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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