Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 67
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Bei der Beurteilung der Beherrschung eines Beteiligungsunternehmens hat der Investor sämtliche Sachverhalte und Umstände (facts and circumstances) zu berücksichtigen (IFRS 10.8). Hierzu gehören vor allem auch der in IFRS 10 explizit genannte Zweck und die Gestaltung (purpose and design) des Beteiligungsunternehmens (IFRS 10.B3; vgl. Tz. 60).
Tz. 68
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Ziel ist es, die Art und Hintergründe der einzelnen, am Beteiligungsunternehmen beteiligten Investoren zu verstehen und bei der Beurteilung der Beherrschung adäquat berücksichtigen zu können. Dies ist vor allem bei der Beurteilung von strukturierten Unternehmen von erheblicher Bedeutung (vgl. Tz. 133 ff.). Beispielsweise bei Fällen, in denen die Beherrschung nicht auf Stimmrechten, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen basiert (vgl. Tz. 125), wie zB Autopilot-Strukturen, die bereits bei Gründung definiert werden (vgl. Tz. 141f.).
Tz. 69
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
In vielen Fällen werden Unternehmen durch Eigenkapitalinstrumente gesteuert, die den Anteilseignern proportional zu ihren Kapitalanteilen entsprechende Stimmrechte einräumen. Sofern keine weiteren (vertraglichen) Regelungen zur Änderung der Entscheidungsbefugnisse vorliegen, ist bei der Beurteilung der Beherrschung zu prüfen, welcher Investor über eine ausreichende Anzahl von Stimmrechten verfügt, um die Geschäfts- oder Finanzpolitik zu bestimmen. Dies wird idR bei der Mehrheit der Stimmrechte der Fall sein (IFRS 10.B6). Sofern die Stimmrechte nicht der dominante Faktor bei der Bestimmung der Beherrschung sind, sind insbesondere alle weiteren Sachverhalte und Umstände zu berücksichtigen (IFRS 10.B43). Sofern die maßgeblichen Tätigkeiten durch vertragliche Regelungen bestimmt werden (zB bei sog. Autopilot-Strukturen, vgl. Tz. 133), sind insbesondere auch die mit dem Beteiligungsunternehmen verbundenen Chancen und Risiken zu beachten (IFRS 10.B8). An dieser Stelle greift IFRS 10 den vormals in SIC-12 verankerten Risk-and-Reward-Ansatz bei der Konkretisierung der Beurteilung des Zwecks und der Gestaltung des Beteiligungsunternehmens auf, ohne allerdings dieses Konzept zu einem grundsätzlichen Prinzip bei der Bestimmung von Beherrschung iSd. IFRS 10 zu machen. Die vorliegenden Chancen und Risiken können vielmehr Indikatoren für die einzelnen Elemente der Beherrschung darstellen. Zudem verwendet der IFRS 10 an dieser Stelle zuerst den Begriff "Risiken" und stellt im letzten Satz klar, dass in das Begriffsverständnis der Risiken auch die Chancen fallen ("nicht nur das Baisse-Risiko sondern auch das Hausse-Potenzial").