Prof. Dr. Corinna Ewelt-Knauer, Dr. Julian Höbener
Tz. 73
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Ein neues, separat zu erfassendes Leasingverhältnis iSd. IFRS 16 wird nur dann begründet, wenn die nachfolgenden beiden Kriterien kumulativ erfüllt sind (IFRS 16.44; vgl. zu diesen Kriterien auch Kirsch/Dollereder/Wätjen, WPg 2018, S. 1300–1306):
- Der Leasingnehmer erhält durch die Vertragsanpassung ein zusätzliches Nutzungsrecht an einem oder mehreren Leasingobjekten (IFRS 16.44 (a); "erstes Kriterium").
- Das für das Leasingverhältnis zu zahlende Entgelt steigt um einen Betrag, der angesichts des Einzelveräußerungspreises für die Erhöhung des Vertragsumfangs und unter Berücksichtigung von Anpassungen dieses Einzelveräußerungspreises an die spezifischen vertraglichen Umstände angemessen (commensurate) ist (IFRS 16.44 (b); "zweites Kriterium").
Mit anderen Worten bedarf es also zur Begründung eines neuen Leasingverhältnisses eines sachlich abgrenzbaren Nutzungsrechts, das zu Marktbedingungen hinzuerworben wird (vgl. auch Freiberg, WPg 2016, S. 1121; Kirsch/Dollereder/Wätjen, WPg 2018, S. 1300). Diese beiden Kriterien sollen sicherstellen, dass im Rahmen einer Modifikation nur dann ein separates Leasingverhältnis bilanziell erfasst wird, wenn mit Blick auf die wirtschaftliche Substanz der Modifikation tatsächlich auch ein neues Leasingverhältnis begründet wird (IFRS 16.BC202).
Tz. 73a
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Hinsichtlich des ersten Kriteriums – Erweiterung des Leasingumfangs um ein zusätzliches Nutzungsrecht an (mindestens) einem Leasingobjekt (IFRS 16.44 (a)) – ist zu betonen, dass zur Prüfung, ob ein weiteres Nutzungsrecht vorliegt, zusätzlich die Vorgaben gem. IFRS 16.12 iVm. IFRS 16.B32 (vgl. Tz. 38) beachtet werden sollten, um die innere regelungssystematische Konsistenz des IFRS 16 zu wahren (vgl. für eine ausführliche Begründung Kirsch/Dollereder/Wätjen, WPg 2018, S. 1301–1303). Folglich gilt es zu prüfen, ob das potenziell neue Nutzungsrecht an einem Leasingobjekt eine eigenständige Leasingkomponente darstellt oder demgegenüber dieses Leasingobjekt mit einem bereits zur Nutzung überlassenen Leasingobjekt eng verflochten ist, sodass dann kein neues Leasingverhältnis zu bilanzieren wäre. Ohne das Hinzuziehen der Kriterien für eine eigenständige Leasingkomponente nach IFRS 16.12 iVm. IFRS 16.B32 böte sich bilanzieller Gestaltungsspielraum für den Bilanzierenden, da er ebendiese Kriterien auch zu Vertragsbeginn zu beachten hat.
Beispiel – Zusatzmodul (in Anlehnung an Kirsch/Dollereder/Wätjen, WPg 2018, S. 1301f.):
Sachverhalt: LN und LG vereinbaren ein Leasingverhältnis über eine Maschine. Zu einem späteren Zeitpunkt vereinbaren die Vertragsparteien im Rahmen einer Modifikation des Leasingverhältnisses zusätzlich eine Nutzungsüberlassung für ein Zusatzmodul. Die wirtschaftliche Nutzenziehung aus dem Zusatzmodul kann nur in Verbindung mit der Maschine erfolgen. Wenn das Zusatzmodul bereits zu Beginn des Leasingverhältnisses Gegenstand des Vertrags gewesen wäre, wäre die Nutzungsüberlassung für das Zusatzmodul nicht eigenständig, sondern zusammen mit der Maschine als eine Leasingkomponente (IFRS 16.B32) zu bilanzieren gewesen.
Beurteilung: Im Rahmen der Modifikation des Leasingverhältnisses erhält LN zwar ein neues Nutzungsrecht an dem Zusatzmodul, sodass es zunächst so scheint, als ob das Kriterium des IFRS 16.44 (a) erfüllt wäre. Vor dem Hintergrund der Separierungskriterien des IFRS 16.B32 bildet das Recht auf Nutzung des Zusatzmoduls allerdings kein eigenständiges Leasingverhältnis, vielmehr ist dieses zusammen mit dem Recht auf Nutzung der Maschine gemeinsam als eine Leasingkomponente abzubilden. Es wird folglich kein neues Leasingverhältnis begründet, sodass die Modifikation gem. IFRS 16.45f. abzubilden ist.
Tz. 74
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Mit Blick auf das zweite Kriterium ist zu beurteilen, ob das für den erhöhten Leasingumfang zusätzlich vereinbarte Entgelt in seiner Höhe angemessen (commensurate) ist (IFRS 16.44 (b); es wird im Folgenden davon ausgegangen, dass das erste Kriterium erfüllt ist). Für die Beurteilung der Angemessenheit ist – wie aus IFRS 16.IE7 Example 15 und Example 18 abgeleitet werden kann – auf aktuelle Marktkonditionen abzustellen (vgl. auch Freiberg, WPg 2016, S. 1121; Kirsch/Dollereder/Wätjen, WPg 2018, S. 1303). Folglich ist das Kriterium der Angemessenheit nur dann erfüllt, wenn die Höhe des vertraglich vereinbarten Entgelts für das zusätzliche Nutzungsrecht marktgerecht ist. Marktunübliche Konditionen könnten bspw. darauf basieren, dass der Leasinggeber dem Leasingnehmer Vorzugskonditionen einräumt, sodass das vereinbarte Entgelt im Vergleich zum Marktniveau zu niedrig ist (vgl. Freiberg, WPg 2016, S. 1121; Behling, BBK 2016, S. 248; Kirsch/Dollereder/Wätjen, WPg 2018, S. 1303). Umgekehrt ist auch denkbar, dass der Leasinggeber eine gegenüber dem Leasingnehmer ggf. bestehende Abhängigkeitssituation ausnutzt, sodass das vereinbarte Entgelt vergleichsweise zu hoch sein könnte (vgl. Kirsch/Dollereder/Wätjen, WPg 2018, S. 1303). Spiegelt ein vom Lea...