Prof. Dr. Peter Wollmert, Dr. Stefan Bischof
Tz. 131
Stand: EL 25 – ET: 01/2015
Der Abzinsungssatz (discount rate) ist gemäß IAS 19.83 grundsätzlich auf Basis der Renditen zu bestimmen, die am Bewertungsstichtag für hochwertige festverzinsliche Unternehmensanleihen (high quality corporate bonds) am Markt erzielt werden (aber vgl. Tz. 135). Der Begriff der high quality corporate bonds wird in den IFRS nicht näher definiert, die herrschende Meinung ging in der Vergangenheit davon aus, dass darunter Unternehmensanleihen mit mindestens AA-Rating zu verstehen sind. Im Jahr 2012 kam eine Diskussion auf, ob bei der Ermittlung des Abzinsungssatzes ein Rückgriff auf Unternehmensanleihen mit (single) A-Rating oder sogar auf alle Bonds mit investment grade zulässig ist (vgl. Thurnes/Vavra/Geilenkothen, DB 2012, S. 2113 ff. und S. 2883 ff.; Rouette/Volpert, CFB 2012, S. 329 ff.; Zeyer, IRZ 2013, S. 10 ff.). Hintergrund dieser Diskussion war einerseits, dass der sukzessive Wegfall von AA oder besser gerateten Bonds mit längeren Durationen zu einer volatilen Zinsentwicklung geführt hatte. Andererseits war der auf dieser Basis ermittelte Zinssatz in Folge der Niedrigzinspolitik der EZB signifikant gesunken. Im November 2013 entschied das IFRS IC zwar, das Thema nicht auf die Agenda zu nehmen (vgl. IASB, IFRIC Update November 2013, S. 4 f.). In der Begründung stellte das IFRS IC jedoch ua. klar, dass es sich bei ›high quality‹ um ein absolutes Konzept handelt, also der bloße Rückgang etwa von Anleihen mit AA-Rating nicht zu einem geänderten Konzept von ›high quality‹ führen sollte. Im Übrigen formulierte das IFRS IC die Erwartungshaltung, dass Unternehmen von einer zur anderen Periode ihre Methoden zur Zinssatzbestimmung nicht wesentlich ändern. Nach herrschender Meinung sind daher unter high quality corporate bonds weiterhin Unternehmensanleihen mit mindestens AA-Rating zu verstehen (vgl. zB EY, International GAAP 2014, S. 2323; KPMG, Insights to IFRS, Abschn. 4.4.520.10; PwC, Manual of Accounting – IFRS 2014, Tz. 11.138).
Die ESMA erwartet, dass die Beurteilung der Markttiefe für erstrangige, festverzinsliche Unternehmensanleihen nicht auf Länderbasis, sondern auf Basis einer Währungszone, bspw. der Eurozone, vorgenommen wird (vgl. ESMA, Public Statement: European common enforcement priorities for 2013 financial statements vom 11.11.2013 (ESMA/2013/1634), abrufbar unter: www.esma.europa.eu/system/files/2013-1634_esma_public_statement_-_european_common_enforcement_priorities_for_2013_financial_statements_1.pdf (Abruf: 13.11.2013), S. 4; eine entsprechende Klarstellung hat der IASB im Rahmen der am 25. September 2014 veröffentlichten jährlichen Verbesserungen (Annual Improvements) 2012–2014 vorgenommen; vgl. Tz. 258). Der Markt für Euro-Anleihen gilt derzeit als ausreichend liquide iSv. IAS 19.83.
Tz. 132
Stand: EL 25 – ET: 01/2015
Die Zahlungen aufgrund der Verpflichtungen sind grundsätzlich unter Berücksichtigung versicherungsmathematischer Annahmen mit dem laufzeitäquivalenten Zinssatz auf den Abschlussstichtag abzuzinsen (IAS 19.83). Benötigt wird daher eine Zinsstrukturkurve, die in Abhängigkeit der Laufzeit eine Rendite für (mindestens) AA-geratete Unternehmensanleihen abbildet. Soweit für langfristig fällige Anleihen kein liquider Markt vorhanden ist, sind die Zinssätze für diese Fälligkeiten gemäß IAS 19.86 durch Extrapolation der aktuellen Marktzinssätze entlang der Zinsstrukturkurve zu schätzen. Die so abgeleiteten Marktzinssätze sind für alle Verpflichtungen unabhängig vom versicherungsmathematischen Risiko der Leistungszusage, ihrer Finanzierung über einen Fonds oder dem unternehmensindividuellen Ausfallrisiko anzuwenden (IAS 19.84).
Tz. 133
Stand: EL 25 – ET: 01/2015
Da in der Praxis eine Bewertung der Verpflichtungen auf Basis eines für jede Laufzeit der Zahlungen unterschiedlichen Zinssatzes (Zinsstrukturkurve, Zinsvektor) häufig nicht mit vertretbarem Aufwand möglich ist, wird für die Bewertung idR ein für alle Zahlungen einheitlicher Ersatzzins verwendet. Der Ersatzzins ist auch bei einer Bewertung auf Basis der Zinsstrukturkurve retrograd aus der so ermittelten defined benefit obligation abzuleiten. Er wird zB als Anhangangabe und zur Ermittlung der Nettozinsen auf die Nettoschuld benötigt (vgl. zB DAV/IVS, Richtlinie, S. 10 f.). Der Ersatzzins ist gemäß IAS 19.85 so zu wählen, dass er die Fälligkeiten, die Höhe und die Währung der zu zahlenden Leistungen widerspiegelt. Ein Austarieren des Ersatzzinses derart, dass er zu dem exakt gleichen Bewertungsergebnis wie bei Verwendung der Zinsstrukturkurve bzw. des Zinsvektors führt, wird von IAS 19.85 nicht gefordert (vgl. Bauer ua., Der Aktuar 2007, S. 87). Zur Ermittlung des Ersatzzinses werden in der Praxis häufig Musterbestände und Musterversorgungszusagen mit entsprechenden typischen Zahlungsverläufen herangezogen und so adjustiert, dass die Zahlungen eine für gemischte, anwärter- bzw. rentnerlastige Bestände typische (Macaulay-)Duration von 15, 20 bzw. 10 Jahren aufweisen (sog. modifiziertes Durationsverfahr...