Dr. Stefan M. Schreiber, Prof. Dr. Dirk Simons
Tz. 155
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Für die Berücksichtigung einer Leistungsbedingung in Form einer Marktbedingung ist bei der Bestimmung des beizulegenden Zeitwertes in praxi regelmäßig davon auszugehen, dass diese Bedingung innerhalb des allein durch die Dienstbedingung definierten Erdienungszeitraums erfüllt werden soll. (Andernfalls würde es sich nicht um eine Marktbedingung, sondern um eine andere Bedingung (non-vesting condition) handeln). Der Zeitraum, in dem mit dem Erreichen des marktbezogenen Erfolgsziels gerechnet wird, muss sachgerecht geschätzt werden. Dabei sind Inkonsistenzen zu der Bestimmung des beizulegenden Zeitwertes zu vermeiden (vgl. Deloitte, iGAAP 2022, Kap. A16, Abschn. 5.3.7). Wird folglich bei der Bewertung mittels eines Optionspreismodells mit einer bestimmten Laufzeit bis zur Erfüllung der Marktbedingung kalkuliert, dann muss dies auf die Bestimmung des Erdienungszeitraums ausstrahlen (IFRS 2.15 (b)). Ist dieser Zeitraum einmal bestimmt, erfolgt im Verlaufe des Erdienungszeitraums keine erneute Schätzung, ob bzw. wann das marktbezogene Erfolgsziel voraussichtlich erfüllt wird. Wie das folgende Beispiel zeigt, bleibt der Erdienungszeitraum, über den der kumulierte Aufwand zu erfassen ist, somit auch dann unverändert, wenn sich herausstellen sollte, dass das marktbezogene Erfolgsziel erst später als ursprünglich geschätzt erreicht wird (IFRS 2.15 (b)).
Beispiel (vgl. IFRS 2.IG Beispiel 6):
Sachverhalt: Ein Unternehmen gewährt seinen zehn leitenden Angestellten je 10.000 Aktienoptionen über einen Zeitraum von zehn Jahren. Die Optionen werden zugeteilt und ausübbar, sobald der Aktienkurs von EUR 50 auf EUR 70 gestiegen ist. Das Arbeitsverhältnis muss fortgesetzt werden, bis das Kursziel erreicht ist.
Das Unternehmen verwendet zur Bewertung ein Binomialmodell, das die Wahrscheinlichkeit des Erreichens des Kursziels (market condition) innerhalb der nächsten zehn Jahre berücksichtigt. Danach wird das Kursziel voraussichtlich nach fünf Jahren erreicht sein, sodass ein Erdienungszeitraum (vesting period) von fünf Jahren unterstellt wird. Der beizulegende Zeitwert wird auf EUR 25 geschätzt. Das Unternehmen erwartet, dass zwei der leitenden Angestellten innerhalb der nächsten fünf Jahre das Unternehmen verlassen werden. Diese Einschätzung wird bis einschließlich zum vierten Jahr beibehalten. Tatsächlich verlässt in den Jahren 3, 4 und 5 jeweils ein Angestellter das Unternehmen. Das Kursziel wird im sechsten Jahr erreicht. In diesem Jahr verlässt noch ein weiterer Mitarbeiter das Unternehmen, was aber ohne Auswirkung im Abschluss des Unternehmens bleibt, da der ursprünglich auf fünf Jahre geschätzte Erdienungszeitraum inzwischen schon abgelaufen ist und IFRS 2 eine Neueinschätzung der Länge des Erdienzungszeitraums und somit eine Verlängerung von fünf auf sechs Jahre verbietet.
Lösung:
Jahr |
Berechnung Periodenaufwand |
Periodenaufwand |
Kumulierter Aufwand |
1 |
80.000 Optionen * EUR 25 * 1/5 |
EUR 400.000 |
EUR 400.000 |
2 |
(80.000 Optionen * EUR 25 * 2/5) – EUR 400.000 |
EUR 400.000 |
EUR 800.000 |
3 |
(80.000 Optionen * EUR 25 * 3/5) – EUR 800.000 |
EUR 400.000 |
EUR 1.200.000 |
4 |
(80.000 Optionen * EUR 25 * 4/5) – EUR 1.200.000 |
EUR 400.000 |
EUR 1.600.000 |
5 |
(70.000 Optionen * EUR 25) – EUR 1.600.000 |
EUR 150.000 |
EUR 1.750.000 |
Tz. 155a
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Fraglich ist jedoch, wie zu verfahren ist, wenn eine Marktbedingung früher als erwartet erfüllt wird. Anknüpfend an das obige Beispiel sei abweichend angenommen, dass die Marktbedingung nicht erst nach sechs, sondern bereits nach vier Jahren erfüllt wird und die Mitarbeiter somit bereits nach vier Jahren einen unverfallbaren Anspruch erlangen. IFRS 2.15 (b) scheint nahezulegen, auch in diesem Fall den Erdienungszeitraum unverändert bei fünf Jahren zu belassen (und über diesen Zeitraum Aufwand zu erfassen), da die zum Gewährungszeitpunkt erfolgte Schätzung der Länge des Erdienungszeitraums nachträglich nicht angepasst werden darf (so KPMG, Insights into IFRS 2021/2022, Tz. 4.5.710.50). Allerdings muss die Marktbedingung mit deren Erfüllung nach vier Jahren nicht mehr iSv. IFRS 2.15 (b) geschätzt werden, sondern sie ist vielmehr sicher eingetreten. Zudem entspricht es dem in IFRS 2.15 niedergelegten Grundprinzip, dass bei equity-settled share-based payments Aufwand ausschließlich über den Zeitraum zu erfassen ist, in dem vom Mitarbeiter Arbeitsleistungen zur Erlangung der anteilsbasierten Vergütung erbracht werden, dh. bis zum Ende des Erdienungszeitraums. Diese Sichtweise (vertreten ua. von EY, International GAAP 2022, Kap. 29, Abschn. 6.3.4) impliziert, dass der kumulierte Aufwand bereits nach vier Jahren vollständig erfasst werden muss, mithin am Ende des vierten Jahres ein acceleration of vesting (IFRS 2.28 (a)) zu erfolgen hat. Dieser Sichtweise ist uE trotz der nicht ganz eindeutigen Formulierung in IFRS 2 der Vorzug zu geben (vgl. Deloitte, iGAAP 2022, Kap. A16, Abschn. 5.3.7–1).
Tz. 156
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Werden in einer anteilsbasierten Vergütungsvereinb...