Tz. 31

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Gemäß dem Umstellungsgrundsatz, die IFRS retrospektiv anzuwenden, hat ein Unternehmen bei Aufstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz die folgenden Vorschriften – mit Ausnahme der in den Paragraphen 13–19 und den Anhängen B–E des IFRS 1 genannten Sachverhalte – zu beachten:

  • Alle gemäß IFRS bilanzierungspflichtigen Vermögenswerte und Schulden sind anzusetzen (IFRS 1.10 (a)).
  • Die gemäß IFRS nicht bilanzierungsfähigen Vermögenswerte und Schulden dürfen nicht angesetzt werden (IFRS 1.10 (b)).
  • Vermögenswerte, Schulden und Eigenkapital sind nach den Vorschriften der IFRS auszuweisen, dh. Posten sind umzugliedern, die nach vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen als eine bestimmte Kategorie Vermögenswert, Schuld oder Bestandteil des Eigenkapitals angesetzt wurden, nach den IFRS indes eine andere Kategorie Vermögenswert, Schuld oder Bestandteil des Eigenkapitals darstellen (IFRS 1.10 (c)).
  • Vermögenswerte und Schulden sind nach den IFRS zu bewerten (IFRS 1.10 (d)).
 

Tz. 32

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Um diesen Anforderungen entsprechen zu können, müssen alle bisher bilanzierten Sachverhalte bis zu ihrer erstmaligen bilanziellen Erfassung nach den vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen zurückverfolgt werden. Das umstellende Unternehmen hat zu prüfen, ob – auch hinsichtlich des Zeitpunktes der bilanziellen Erfassung – die bisher angewandten Rechnungslegungsmethoden mit den gültigen IFRS übereinstimmen. Zum Beispiel müssen Rückstellungen, die die Ansatzkriterien des IAS 37 nicht erfüllen, bei der Umstellung ausgebucht werden. Zudem sind auch alle Sachverhalte zu würdigen, die zwar nicht nach vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen aktivierungs- bzw. passivierungspflichtig waren, aber nach IFRS aktivierungs- bzw. passivierungspflichtig sein können, wie selbsterstellte immaterielle Vermögenswerte oder Operating-Leasingverhältnisse iSd. vorherigen Rechnungslegungsgrundsätze, die aber nach IFRS als Nutzungsrechte iSv. IFRS 16 ansatzpflichtig sein können. Dies betrifft auch solche Sachverhalte, die nach den vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen bspw. in der Vergangenheit in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst wurden, aber nach IFRS direkt im Eigenkapital zu erfassen sind, bspw. Börseneinführungskosten, Wandelanleihen (zu einer entsprechenden Erleichterungsvorschrift vgl. Tz. 199ff.) oder die Gewinnabführung/Verlustübernahme aus einem Ergebnisabführungsvertrag (vgl. auch Tz. 204), was in der Eröffnungsbilanz einen unterschiedlichen Ausweis im Eigenkapital nach sich ziehen kann (Kapital- vs. Gewinnrücklage). Ein weiteres Beispiel sind Sachverhalte, die nach vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen gar nicht erfasst wurden, aber nach IFRS im Eigenkapital zu erfassen sind, wie bestimmte Aktienoptionspläne.

 

Tz. 33

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Alle in der IFRS-Eröffnungsbilanz vorzunehmenden Anpassungen, die aus der Umstellung der Rechnungslegungsmethoden von abweichenden vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen auf die IFRS resultieren, sind erfolgsneutral in die Gewinnrücklagen der IFRS-Eröffnungsbilanz einzustellen bzw. mit diesen zu verrechnen oder – falls zutreffender – in andere Posten des Eigenkapitals aufzunehmen (IFRS 1.11; soweit die Anpassungen im Konzernabschluss auf Minderheiten entfallen, sind die Anpassungen indes insoweit gegen diesen Posten zu buchen). "Falls zutreffender" ist dabei nicht im Sinne eines Wahlrechts zu verstehen, vielmehr sind die Anpassungen in einen gesonderten Eigenkapitalposten aufzunehmen, soweit dies der betreffende IFRS vorschreibt. Beispielsweise betrifft dies die Effekte aus der Bewertung von derivativen Finanzinstrumenten, die als cashflow hedge nach IFRS 9 klassifiziert wurden, oder Differenzen zwischen den fortgeführten Anschaffungskosten und der Neubewertung von Sachanlagevermögen, sofern die Neubewertungsmethode angewendet wird. Da sich die Anpassungen auf Ereignisse und Geschäftsvorfälle beziehen, die vor dem Übergangszeitpunkt stattfanden, scheidet deren erfolgswirksame Erfassung im ersten IFRS-Abschluss aus. Eine Ausnahme von der Verrechnung sich zum Übergangszeitpunkt ergebender Anpassungen mit dem Eigenkapital besteht ggf. bei Unternehmenserwerben im Zusammenhang mit dem Ansatz von immateriellen Vermögenswerten: Anpassungen sind hier gegen den Goodwill und nicht gegen die Gewinnrücklagen zu buchen (vgl. Tz. 81).

 

Tz. 34

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Da der aus der Umstellung resultierende Anpassungsbetrag in den Gewinnrücklagen nicht gesondert auszuweisen ist (und im Übrigen der Ausweis eines solchen gesonderten Eigenkapitalpostens auch nicht sachgerecht ist), also weder in der Bilanz noch in der Eigenkapitalveränderungsrechnung ersichtlich wird, ist nach IFRS 1.24 (a) im Anhang des ersten IFRS-Abschlusses eine Überleitungsrechnung für das Eigenkapital zum Übergangszeitpunkt und zum Stichtag des letzten nach vorherigen Grundsätzen aufgestellten Abschlusses aufzunehmen (vgl. Tz. 233ff.).

 

Tz. 35

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Hinweise zu erforderlichen Anpassungsmaßnahmen vo...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Baetge, Rechnungslegung nach IFRS (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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