Dr. Stefan Bischof, Prof. Dr. Sven Sterzenbach
Tz. 35
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
Der Aktivierungszeitraum für Fremdkapitalkosten endet mit der Fertigstellung des qualifizierten Vermögenswertes, also mit der Möglichkeit seiner bestimmungsgemäßen Verwendung. Dies ist dann der Fall, wenn die Arbeiten für die beabsichtigte Nutzung oder Veräußerung des Vermögenswertes im Wesentlichen abgeschlossen sind (IAS 23.22). Abgeschlossen sind die Arbeiten normalerweise dann, wenn die physische Fertigstellung des Vermögenswertes erfolgt ist. Dies schließt nicht aus, dass bis zur endgültigen Verwertbarkeit noch weitere routinemäßig anfallende (Verwaltungs-)Arbeiten notwendig sind (IAS 23.23). Auch ausstehende behördliche Abnahmen, zB im Hinblick darauf, dass bestimmte Sicherheitsanforderungen eingehalten sind, uÄ sind für das Ende des Aktivierungszeitraums unbeachtlich (vgl. Ernst & Young, 2021, Chapter 21.6.3). Das Ende des Aktivierungszeitraumes wird demnach eindeutig durch die technische (physische) Fertigstellung bestimmt. Wann ein Vermögenswert letztlich tatsächlich genutzt oder verkauft wird, ist nicht entscheidend. Wird zB ein Immobilienobjekt gebaut, um es an Dritte zu verpachten, so endet der Aktivierungszeitraum mit der Fertigstellung der Gebäude. Dies gilt auch dann, wenn es dem Investor erst nach einiger Zeit gelingt, für diese Gebäude einen oder mehrere Mieter zu finden.
Das IFRS IC behandelte im September 2018 eine Anfrage, wann ein Unternehmen die Aktivierung von Fremdkapitalkosten zu beenden hat. Im betrachteten Sachverhalt erwirbt und entwickelt ein Unternehmen ein Grundstück, auf dem im Anschluss ein Gebäude errichtet wird. Sowohl das Grundstück als auch das Gebäude fallen unter die Definition eines qualifizierten Vermögenswerts. Zudem verwendet das Unternehmen allgemeine Fremdfinanzierung, um sowohl die Ausgaben für das Grundstück als auch die Errichtung des Gebäudes zu finanzieren. Konkret wurde gefragt, ob die Aktivierung der Fremdkapitalkosten der in Bezug auf das Grundstück anfallenden Ausgaben eingestellt wird, sobald mit der Errichtung des Gebäudes begonnen wird oder ob die Aktivierung der Fremdkapitalkosten für in Bezug auf das Grundstück anfallende Ausgaben während der Errichtung des Gebäudes fortgeführt wird. Das IFRS IC merkte zur Bestimmung des Endes der Aktivierung von Fremdkapitalkosten für in Bezug auf das Grundstück anfallende Kosten an, dass das Unternehmen den Verwendungszweck des Grundstücks berücksichtigen muss. Grundstück und Gebäude können entweder durch den Eigentümer selbst (gem. IAS 16), zur Vermietung oder Kapitalanlage (gem. IAS 40) oder zur Veräußerung (gem. IAS 2) genutzt werden. Der Verwendungszweck des Grundstücks liegt demnach nicht in der Errichtung eines Gebäudes, sondern in einem der drei genannten Zwecke. Bei der Anwendung von IAS 23.24 ist daher zu prüfen, ob das Grundstück entsprechend dem Verwendungszweck auch während der Errichtung des Gebäudes genutzt werden kann. Sofern das Grundstück während der Errichtung nicht entsprechend dem Verwendungszweck genutzt werden kann, sind das Grundstück und Gebäude zusammen zu betrachten, um herauszufinden, wann das Ende der Aktivierung von Fremdkapitalkosten vorliegt. In dieser Situation wäre das Grundstück erst dann für die beabsichtigte Nutzung oder Zweck bereit, wenn im Wesentlichen alle erforderlichen Aktivitäten abgeschlossen sind, um sowohl das Grundstück als auch das Gebäude für den eigentlichen Verwendungszweck Nutzung oder den Verkauf vorzubereiten. Aus Sicht des IFRIC bietet IAS 23 eine ausreichende Basis, um für diesen Sachverhalt Fremdkapitalkosten zu berücksichtigen, weshalb diese Anfrage nicht auf die Agenda aufgenommen wurde
Tz. 36
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
Der Aktivierungszeitraum umfasst ausdrücklich nicht die Vertriebsaktivitäten. Dh., entscheidend für das Ende des Aktivierungszeitraumes ist stets die Fertigstellung bzw. Nutzungsfähigkeit des Vermögenswertes und nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen wirtschaftlichen Inanspruchnahme oder Vermarktung. Die Nutzungsfähigkeit gilt idR dann als gegeben, wenn die physische Herstellung des Vermögenswertes abgeschlossen ist, selbst wenn bis zur endgültigen Vermarktung (Übergabe) noch geringfügige Veränderungen, zB die Ausstattung eines Gebäudes auf Wunsch des Käufers oder Benutzers, erforderlich sind (IAS 23.23).
Tz. 37
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
Zu den qualifizierten Vermögenswerten, bei denen eine Aktivierung von Fremdkapitalkosten zulässig ist, zählen häufig Großinvestitionen (ganze Fabrikanlagen, Einkaufszentren usw.), wobei die Fertigstellung bzw. Nutzungsfähigkeit der einzeln zu aktivierenden Vermögenswerte im Rahmen dieser Großprojekte zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen bzw. gegeben sein kann. Hier stellt sich die Frage, welcher Zeitraum der Aktivierung der Fremdkapitalkosten bei den einzelnen Vermögenswerten zu Grunde zu legen ist. Nach IAS 23.24 endet im Rahmen eines Gesamtprojektes der Aktivierungszeitraum für jeden einzelnen Teil stets dann, wenn alle wesentlichen Aktivitäten abgeschlossen sind, die die Nu...