Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 205
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Existiert für ein Finanzinstrument kein aktiver Markt, muss der beizulegende Zeitwert durch Verwendung eines Bewertungsverfahrens (valuation technique) ermittelt werden (kritisch dazu Baetge/Brembt/Brüggemann, WPg 2008, S. 1006ff.; Küting/Kaiser, Corporate Finance biz 2010, S. 377ff.; Schildbach, IRZ 2007, S. 14f.; dagegenhaltend Ochsner, IRZ 2009, S. 415; Pozen, HBR 2009, S. 85ff.). Unter die Bewertungsverfahren subsumiert der IASB dabei nicht nur mathematische Modelle wie DCF-Kalküle oder Optionspreismodelle, sondern auch unlängst verzeichnete und unter marktüblichen Bedingungen zustande gekommene Marktgeschäfte zwischen vertragskundigen und -willigen Parteien sowie Verweise auf den aktuellen beizulegenden Zeitwert eines anderen, im Wesentlichen gleichartigen Instruments (vgl. IFRS 13.81f.). Ein Unternehmen ist bei der Wahl eines Bewertungsverfahrens grundsätzlich frei; wenn sich aber am Markt ein Verfahren herausgeschält hat, das bei den Marktteilnehmern regelmäßig Anwendung findet und verlässliche Schätzungen für Preise tatsächlicher Markttransaktionen ermöglicht, dann spricht viel dafür, dieses Verfahren zu verwenden. Solange ein Bewertungsverfahren die Zielsetzung einer Fair-Value-Ermittlung erfüllt – die Feststellung, was der Transaktionspreis für einen unter marktüblichen Bedingungen abgewickelten Tauschvorgang am Stichtag gewesen wäre –, dürften gegen die Nutzung einer abweichenden Methodik allerdings kaum stichhaltige Argumente vorliegen. Dies scheint auch das Expert Advisory Panel in seinem Bericht zur Bemessung and Angabe von beizulegenden Zeitwerten in Zeiten inaktiver Märkte zu akzeptieren: "[I]t is possible that entities will arrive at different estimates of the fair value of the same instrument at the same measurement date, and the valuation techniques [= Plural; Anm. d. Verf.] and inputs used by both entities can still meet the objective of fair value measurements and be in compliance with the accounting guidance" (IASB Expert Advisory Panel 2008, Tz. 27). Die Beweislast, dass ein anderes Bewertungsverfahren mindestens ebenso gute Schätzungen ermöglicht, liegt indes beim anwendenden Unternehmen. Der IASB geht davon aus, dass ein Bewertungsmodell dann realistische Schätzungen des beizulegenden Zeitwerts ermöglicht, wenn die wahrscheinlich von Marktakteuren veranschlagte Bepreisung des Instruments abgebildet wird und die in das Bewertungsverfahren eingehenden Inputfaktoren die Markterwartungen und die Risiko-Chancen-Treiber eines Finanzinstruments vernünftig darstellen.
Tz. 206
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Beim Rückgriff auf Bewertungsverfahren sind sämtliche Bewertungsparameter zu berücksichtigen, die Marktteilnehmer bei einer Preisbemessung berücksichtigen würden und im Einklang mit finanzwirtschaftlich akzeptierten Methoden für die Bepreisung von Finanzinstrumenten stehen (IFRS 9.B5.1.2A; s. a. IASB Expert Advisory Panel 2008, Tz. 15). Zu den möglichen Inputfaktoren, die bei der Verwendung eines Bewertungsverfahrens in Erwägung zu ziehen sind, gehören beispielsweise:
- der Zeitwert des Geldes/der risikofreie Zinssatz, wobei aus pragmatischen Gründen auch ein Interbankensatz wie Euribor oder Libor oder der aus der Swapsatzkurve abgeleitete Zins verwendet werden darf;
- das Bonitätsrisiko (der Aufschlag auf den risikofreien Zins für das Kontrahentenrisiko), das aus Aufschlägen gehandelter Kassainstrumente oder Credit Default Swaps abgeleitet werden kann;
- das Liquiditätsrisiko (s. dazu ausführlich Wüstemann/Iselborn, WPg 2016, S. 507ff. mwN);
- Wechselkurse;
- Warenpreise;
- Aktienkurse, wobei der beizulegende Zeitwert nicht notierter Instrumente uU über DCF-Kalküle bestimmt werden kann;
- die Volatilität, wobei die erwartete Amplitude entweder aus historischen Marktdaten oder implizit aus aktuellen Marktpreisen abgeleitet werden kann;
- das Risiko einer erwarteten vorzeitigen Rückzahlung oder Tilgung; sowie
- die im Zuge der Bedienung des Finanzinstruments anfallenden Kosten, die sich durch Vergleich mit aktuell durch Marktteilnehmer veranschlagten Gebühren schätzen lassen (vgl. IFRS 13.82 und B35; PricewaterhouseCoopers LLP 2017, Tz. FAQ 5.96.1 und 5.98.1).
Bei der Bemessung ist so weit wie möglich auf marktbasierte und so wenig wie nötig auf unternehmensspezifische Inputfaktoren abzustellen. Das zur Anwendung gelangende Modell ist regelmäßig mithilfe von Preisen aus aktuell beobachtbaren Markttransaktionen für dieses Finanzinstrument oder anderweitig erhältlichen Marktdaten zu validieren und erforderlichenfalls zu kalibrieren (vgl. IFRS 13.83f.; s. a. IASB Expert Advisory Panel 2008, Tz. 29 sowie 36ff. und 88f.; s. a. Grünberger/Sopp, IRZ 2010, S. 440ff.; für ein praktisches Beispiel vgl. Ammann/Seiz, IRZ 2008, S. 355ff.). Sollte diese Anpassung aber einen wesentlichen Einfluss auf die Bemessung des beizulegenden Zeitwerts insgesamt haben, kommt eine Einstufung auf der 2. Ebene nicht mehr in Frage (vgl. IFRS 13.84).