Prof. Dr. Corinna Ewelt-Knauer, Dr. Julian Höbener
Tz. 36
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Leasingverhältnisse werden im Kontext der zunehmenden Dienstleistungsgesellschaft verstärkt nicht mehr isoliert, sondern mit zusätzlichen Serviceleistungen, die nicht die Leasingdefinition nach IFRS 16.9 erfüllen (vgl. Tz. 16ff.), in einem Gesamtvertragswerk als Paket vereinbart (vgl. Wätjen, 2020, S. 1f. mwN). So wird bspw. im Rahmen des sog. Service-Leasing in einem solchen Paket ein vertraglich vereinbartes Nutzungsrecht an einem Leasinggegenstand um zusätzliche Wartungs- oder IT-Leistungen oder um die Lieferung von Verbrauchsmaterial ergänzt (IFRS 16.BC133; vgl. Bardens/Dreisbach/Wallek, RWZ 2017, S. 42f.; Henneberger/Benner, FLF 2016, S. 256; PwC, IFRS für Banken, 2017, S. 3119). Auch können in einem einzigen Leasingvertragswerk mehrere Nutzungsrechte vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer transferiert werden, zB bei einem Immobilienleasingvertrag das Nutzungsrecht an dem Gebäude sowie das Nutzungsrecht an dem Inventar (vgl. Eckl et al., DB 2016, S. 671). Vorgenanntes kann zudem daraus resultieren, dass Verträge aufgrund der Vorschrift des IFRS 16.B2 zusammenzufassen sind (vgl. Tz. 10ff.). Für bilanzielle Zwecke sind derartige Verträge indes nicht als Ganzes zu behandeln, vielmehr sieht IFRS 16 grundsätzlich vor, dass separate Leasingkomponenten und Nichtleasingkomponenten zu trennen und einzeln zu bilanzieren sind (IFRS 16.12). Die Bilanzierung erfolgt dann für die jeweilige Leasingkomponente nach IFRS 16, während sich die bilanzielle Abbildung einer Nichtleasingkomponente nach dem jeweils für sie einschlägigen Standard richtet (so explizit für den Leasingnehmer IFRS 16.16; zur Leasinggeberperspektive vgl. Tz. 40d). Zu beachten ist, dass Leasingnehmer wahlweise auf die Trennung von Leasing- und Nichtleasingkomponenten verzichten dürfen (vgl. Tz. 40).
Im Zusammenhang mit der Anwendung von IAS 17 war für den Leasingnehmer die Trennung von Leasing- und Nichtleasingkomponenten mit Blick auf zusätzliche Dienstleistungskomponenten – insoweit das Leasingverhältnis als Operating-Leasingverhältnis klassifiziert wurde – praktisch unbedeutend, da sowohl derartige Leasingvereinbarungen als auch Dienstleistungsverhältnisse als schwebende Dauerschuldverhältnisse zu keinem Ansatz in der Bilanz geführt haben (es sei denn, es lag ein belastender Vertrag iSv. IAS 37 vor; IAS 37.1 (a) iVm. IAS 37.66ff.; vgl. Eckl et al., DB 2016, S. 671, Fn. 127). Nach IFRS 16 müssen jedoch nunmehr beim Leasingnehmer sämtliche Leasingverhältnisse bilanziell durch den Ansatz eines Nutzungsrechts und einer Leasingverbindlichkeit nachgezeichnet werden (vgl. Tz. 51ff.), was eine Ausnahme von der grundsätzlichen Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte (executory contracts) darstellt (vgl. Freiberg, PiR 2017, S. 284). Diese Bilanzierung von Leasingvereinbarungen fußt auf der zentralen Annahme des IASB, dass der Leasinggeber in dem Moment, in dem er das Leasingobjekt dem Leasingnehmer zur Nutzung zur Verfügung gestellt hat, seiner Hauptleistungspflicht nachgekommen ist und dabei unbedingte Rechte und Pflichten entstehen (IFRS 16.BC19ff.; vgl. Edelmann, WPg 2016, S. 260; Tesche/Küting, DStR 2016, S. 623f.; kritisch zu dieser Annahme Hommel/Winter/Zicke, BB 2013, S. 1709). So erlangt der Leasingnehmer mit der Bereitstellung des Leasinggegenstandes ein unbedingtes Recht zur Nutzung dieses Leasinggegenstandes während der Laufzeit des Leasingverhältnisses, das ihm vom Leasinggeber nicht entzogen werden kann, obwohl der Leasinggeber rechtlicher Eigentümer des Leasinggegenstands bleibt (IFRS 16.BC22), sowie eine unbedingte Pflicht zur Zahlung der Leasingraten (IFRS 16.BC25) und eine unbedingte Pflicht zur Rückgabe des Leasinggegenstands (IFRS 16.BC28). Dieses Umdenken wird in der Literatur vielfach als neues Paradigma für die bilanzielle Behandlung schwebender Dauerschuldverhältnisse bezeichnet und durchaus kritisch betrachtet (vgl. für diese Diskussion Küting et al., PiR 2011, S. 1–5; Gruber, DB 2013, S. 2222f.; Hommel/Winter/Zicke, BB 2013, S. 1709; Eckl et al., DB 2016, S. 663f.).
Tz. 37
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
(einstweilen frei)
Tz. 38
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Enthält ein einziges Vertragswerk oder enthalten Vertragswerke, die aufgrund eines zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs gem. IFRS 16.B2 zusammengefasst wurden (vgl. Tz. 10ff.), mehrere Nutzungsrechte oder werden darin neben einem Leasingverhältnis weitere Leistungen adressiert, muss ein solches (zusammengefasstes) Vertragswerk für bilanzielle Zwecke in seine einzelnen Komponenten zerlegt werden (IFRS 16.12). Hierzu sind die separaten Leasingkomponenten – die in IFRS 16 das Bilanzierungsobjekt (unit of account) darstellen – anhand der in IFRS 16.B32 formulierten Voraussetzungen zu identifizieren. Auf diese Weise werden zugleich die Nichtleasingkomponenten des Vertrags negativ abgegrenzt (vgl. Wätjen, 2020, S. 120). Damit sich ein Nutzungsrecht als separate Leasingkomponente qualifiziert, müssen gem. IFRS 16.B32 die beiden folgenden Kriterien kumulativ erfü...