Prof. Dr. Jens Wüstemann, Dr. Sonja Wüstemann
Tz. 29
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Damit ein Vertrag im Sinne von IFRS 15 vorliegt, muss der Erhalt der Gegenleistung wahrscheinlich ("probable") sein (IFRS 15.9(e)). Das Kriterium fungiert dabei als Einbringlichkeitsschwelle ("collectability threshold") und dient der Berücksichtigung etwaiger Ausfallrisiken bei der Vertragsidentifizierung (IFRS 15.BC42). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist in Einklang mit anderen Standards, wie bspw. IAS 37 (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 37, Tz. 59 f.), gegeben, wenn mehr Gründe für den Erhalt der Gegenleistung sprechen als dagegen (IFRS 15.BC44), die Wahrscheinlichkeit der Einbringlichkeit mithin mehr als 50 % beträgt (ausführlich zur Quantifizierung der Wahrscheinlichkeit vgl. Lüdenbach/Hoffmann, KoR 2003, S. 5–7). Qualitativ wird die Wahrscheinlichkeit anhand der Zahlungsfähigkeit und Zahlungsabsicht des Kunden bewertet (IFRS 15.9(e)). Während die Zahlungsfähigkeit anhand der finanziellen Kapazitäten des Kunden respektive seiner Bonität bestimmt wird, sind bei der Beurteilung der Zahlungsabsicht alle relevanten Indikatoren, wie bspw. das Zahlungsverhalten einzelner Kunden bzw. einer Gruppe von Kunden in der Vergangenheit oder auch vom Kunden erbrachte Sicherheitsleistungen (vgl. PwC, Revenue from Contracts with Customers, 2014, S. 2–10), zu berücksichtigen (IFRS 15.BC45).
Tz. 30
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Es muss jedoch nicht der vollständige Verkaufspreis einbringlich sein. Sofern die Gegenleistung in Form einer variablen Vergütung (vgl. Tz. 100 ff.) besteht, kann sie zB aufgrund eines gewährten Preisnachlasses auch unter dem vertraglich festgelegten Preis liegen (IFRS 15.9(e)). Bei der Beurteilung des Kriteriums sollte daher zunächst der Teil der Gegenleistung ermittelt werden, den das Unternehmen voraussichtlich erhält, um anschließend die Wahrscheinlichkeit der Einbringlichkeit dieses Betrags zu bewerten (IFRS 15.BC45; zu den Beispielen vgl. IFRS 15.IE7–13).
Tz. 31
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Dieses Vertragskriterium ist mit dem vorher in IAS 18.14(d) verankerten Kriterium des wahrscheinlichen wirtschaftlichen Nutzenzuflusses vergleichbar (vgl. EY, A closer look at the new revenue recognition standard, 2015, S. 29; vgl. Wüstemann/Wüstemann, WPg 2014, S. 932). Das Kriterium sollte – in Einklang mit der auf Rahmenkonzeptebene geplanten Abschaffung des Ansatzkriteriums (zu den geplanten Ansatzkriterien des Rahmenkonzepts vgl. ED CF.3.5.9) – zunächst nicht in IFRS 15 übernommen werden (ED IFRS 15.6.BC98). Auf Wunsch der Bilanzierungspraxis, die eine Beibehaltung der bisherigen Regelungen propagierte, wurde das Kriterium letztlich jedoch im finalen Standard wieder eingeführt (IFRS 15.BC44). Durch Berücksichtigung von Delkredererisiken im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wird die Umsatzerfassung folglich an einen hinreichenden Risikoabbau geknüpft (vgl. Wüstemann/Wüstemann, WPg 2014, S. 931), was konsistent zur geplanten Rückeinführung des Vorsichtsprinzips im Rahmenkonzept ist (zur geplanten Rückeinführung vgl. ED CF.3.2.18). Im Gegensatz zu den geplanten Regelungen der Standardentwürfe sowie den handelsrechtlichen GoB, wonach Ausfallrisiken im Rahmen der Forderungsbewertung erfasst werden (vgl. Ballwieser, in: MünchKommHGB, 3. Aufl., § 252, Tz. 57; Moxter, 2007, S. 45), stellt die Einbringlichkeit nach IFRS 15 weiterhin ein Ansatzkriterium dar (hierzu kritisch vgl. Wüstemann/Wüstemann, WPg 2014, S. 932).