Tz. 104

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Ein IFRS-Erstanwender kann nach vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen ein konsolidierungspflichtiges Tochterunternehmen iSv. IFRS 10, das er vor dem Über­gangszeitpunkt im Rahmen eines Unternehmenserwerbs erworben hat, nicht konsolidiert haben, etwa weil dieses Unternehmen nach vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen nicht konsolidierungspflichtig war (zB Zweckgesellschaften wie Leasingobjektgesellschaften oder die Anteile des Tochterunternehmens ausschließlich zum Zwecke der Weiterveräußerung gehalten werden) oder die Gesellschaft keinen Konzernabschluss aufstellte (aber vgl. Tz. 108).

 

Tz. 105

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

In diesem Fall verbietet IFRS 1.C4 (j) eine rückwirkende Erstkonsolidierung des Tochterunternehmens. Stattdessen ist eine modifizierte Erstkonsolidierung vorzunehmen. Dazu sind die Vermögenswerte und Schulden des Tochterunternehmens zum Übergangszeitpunkt so zu ermitteln, als ob das Tochterunternehmen hinsichtlich seines Einzelabschlusses selbst IFRS-Erstanwender zu diesem Zeitpunkt wäre. Ausgangspunkt ist damit eine nach IFRS 1 unter Beachtung der konzerneinheitlichen Rechnungslegungsmethoden (inkl. der konzerneinheitlichen Ausübung der in IFRS 1 gewährten Wahlrechte) erstellte IFRS-(Einzelabschluss)-Eröffnungsbilanz des Tochterunternehmens zum Übergangszeitpunkt des Konzerns. Soweit das Tochterunternehmen bereits nach IFRS bilanziert, sind gem. IFRS 1.D17 grundsätzlich diese Werte maßgebend (vgl. Tz. 192ff.).

 

Tz. 106

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Der zum Übergangszeitpunkt anzusetzende Goodwill entspricht der Differenz zwischen:

  • dem Anteil des Mutterunternehmens an den nach IFRS 1 bewerteten Vermögenswerten (vgl. Tz. 105) abzüglich den nach IFRS 1 angepassten Schulden des Tochterunternehmens und
  • den im (fiktiven) IFRS-Einzelabschluss des Mutterunternehmens bilanzierten Anschaffungskosten der Anteile am Tochterunternehmen (vgl. IFRS 1.C4 (j); IFRS 1.IG 22 Beispiel 6; IFRS 1.IG27; vgl. Tz. 181f. zu den Erleichterungsvorschriften bei der Ermittlung der Anschaffungskosten). Für einen entstehenden Goodwill ist gem. IFRS 1.C4 (g)(ii) zum Übergangszeitpunkt ein Wertminderungstest nach IAS 36 durchzuführen. Ist die sich ergebende Differenz negativ (passiver Unterschiedsbetrag), etwa aufgrund von seit dem Erwerbszeitpunkt thesaurierten Gewinnen, ist diese unabhängig vom Entstehensgrund erfolgsneutral in der IFRS-Konzerneröffnungsbilanz den Gewinnrücklagen zuzubuchen.

Bei Tochterunternehmen, die in der Vergangenheit hoch profitabel gewesen sind und bei denen die Gewinne thesauriert worden sind, führt dies dazu, dass der nach IFRS 1 ermittelte Goodwill erheblich unter dem ursprünglich gezahlten Goodwill liegt.

Ein IFRS-Erstanwender kann nicht den auf nicht beherrschende Anteile entfallenden Goodwill an einem Tochterunternehmen ansetzen, das nach vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen nicht konsolidiert wurde, da der Goodwill als Residualgröße ermittelt wird, die sich allein auf das Mutterunternehmen bezieht (sa. IFRS 1.IG 22 Beispiel 6).

 

Tz. 107

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Zu einem Anwendungsbeispiel – unter Berücksichtigung von nicht beherrschenden Anteilen – siehe IFRS 1.IG22 Beispiel 6.

Wenn ein Tochterunternehmen nach den vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen nicht konsolidiert wurde, weil die Anteile ausschließlich zu Weiterveräußerungszwecken gehalten wurden (vgl. zB § 296 Abs. 1 Nr. 3 HGB), und erfüllt das bisher nicht konsolidierte Tochterunternehmen die Anwendungsvorschriften des IFRS 5 (sa. IFRS 5.32 (c)) zum Übergangszeitpunkt, dann ist dieses Tochterunternehmen unter Anwendung der Vereinfachungsvorschriften des IFRS 5 zu konsolidieren (Behandlung als Veräußerungsgruppe und aufgegebener Geschäftsbereich). Wenn die Anwendungsvorschriften des IFRS 5 zum Übergangszeitpunkt nicht erfüllt sind, ist das Tochterunternehmen dagegen ausschließlich gem. IFRS 10 zu konsolidieren.

 

Tz. 108

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Für Tochterunternehmen, die das Mutterunternehmen selbst gegründet hat, gilt die obige Vorgehensweise mit der Ausnahme, dass kein Goodwill angesetzt werden darf, dh., eine sich ergebende positive Differenz ist mit den Gewinnrücklagen zu verrechnen (IFRS 1.IG27 (c)).

 

Tz. 109

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Die in diesem Abschnitt diskutierten Befreiungsvorschriften gelten entsprechend für Anteile an Gemeinschaftsunternehmen, assoziierten Unternehmen und gemeinsamen Geschäftstätigkeiten, bei denen die Geschäftstätigkeit ein Geschäftsbetrieb iSd. IFRS 3 darstellt (IFRS 1.C5).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Baetge, Rechnungslegung nach IFRS (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge