Dr. Stefan M. Schreiber, Prof. Dr. Dirk Simons
Tz. 116
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Als Aktienkursvolatilität bezeichnet man ein Maß für die kurzfristige Abweichung des Börsenkurses von der langfristigen Trendentwicklung. Statistisch entspricht die Volatilität der Standardabweichung der Zufallsvariable Börsenkurs. In Optionspreismodellen misst sie die auf das jährliche Mittel bezogene Abweichung.
Tz. 117
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Folgende Faktoren sind bei der Prognose der Volatilität einzubeziehen (IFRS 2.B25):
- Die implizite Volatilität, die sich aus am Kapitalmarkt beobachteten Transaktionen ableiten lässt, bei denen zB Optionen auf Aktien des betrachteten Unternehmens gehandelt wurden;
- die historische Volatilität, gemessen über einen Zeitraum, der mit der erwarteten Lebensdauer der Option vergleichbar ist;
- die Zeitdauer, in der die Aktien des Unternehmens öffentlich gehandelt werden, da historische Volatilitäten von Unternehmen, die erst in jüngerer Vergangenheit gelistet wurden, höher sind als die von über einen längeren Zeitraum notierten Unternehmen;
- die Tendenz der Volatilität zu ihrem langfristigen Mittel zurückzukehren bzw. Faktoren, die erläutern, warum ein Abweichen von der jüngst beobachteten Volatilität zu erwarten ist. So führt zB ein erfolgloses feindliches Übernahmeangebot dazu, dass die Aktienvolatilität des betrachteten Unternehmens für den fraglichen Zeitraum erhöht und für die Ermittlung der historischen Volatilität unbrauchbar ist.
Tz. 118
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Bei der Verwendung der historischen Volatilität ist die Annahme kritisch, dass es zu einer Fortschreibung vergangener Ereignisse in der Zukunft kommt. (Für ein Beispiel zur Berechnung historischer Volatilitäten vgl. Rudolph/Schäfer, 2010, S. 273) Hinsichtlich des erforderlichen Beobachtungszeitraums unterscheiden sich die Auffassungen von FASB und IASB. Während der IASB einen Beobachtungszeitraum favorisiert, der der Länge der Laufzeit der Mitarbeiteroptionen entspricht, schlägt das FASB die Verwendung längerer Laufzeiten vor. Im Ergebnis dürfte hier ein bilanzpolitischer Spielraum bestehen (vgl. Vater, WPg 2005, S. 1274). Allerdings ist auch festzuhalten, dass eine fehlerhafte Bestimmung der Volatilität häufig auf Ermittlungsprobleme zurückzuführen ist (vgl. für Dänemark Bechmann/Hjortshøj, EAR 2009, S. 506; anderer Auffassung ist zB Choudhary, JoAE 2011, S. 78, der von volatilitätsbedingten Unterschätzungen des Fair Values in Höhe von durchschnittlich 7 % in den USA berichtet).
Tz. 119
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Während die historische Volatilität als Trendfortschreibung der Vergangenheit stark von der Länge des Beobachtungszeitraums abhängt, wird die implizite Volatilität ermittelt, indem aktuell am Markt gehandelte Optionen desselben Basiswertes identifiziert werden. Da deren Marktpreise bekannt sind, lässt sich die Volatilität errechnen, die unter Verwendung der übrigen – ebenfalls bekannten – Parameterdaten den beobachteten Marktpreis ergibt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zB die Black/Scholes-Formel analytisch nicht nach der Volatilität aufgelöst werden kann, sodass numerische Näherungsverfahren zum Einsatz gelangen (vgl. Rudolph/Schäfer, 2010, S. 288).
Tz. 120
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Nachfolgende Tabelle verdeutlicht am Beispiel der Black/Scholes-Formel, wie stark die Schätzung der Volatilität σ bei verschiedenen Zinssätzen r den Optionswert beeinflussen kann (vgl. zur vollständigen Tabelle Herzig/Lochmann, WPg 2001, S. 88). Zugrunde gelegt wurde ein aktueller Kurs S0 in Höhe von 100, ein Optionsbasispreis K in Höhe von 120 und eine Optionslaufzeit T von 10 Jahren:
Abb. 10: Auswirkung der Volatilität auf die Optionsbewertung (1)
Selbst wenn man die Optionen am Geld begäbe, dh. K = 100, ergäben sich ähnlich große Spannweiten:
Abb. 11: Auswirkung der Volatilität auf die Optionsbewertung (2)
Man erkennt, dass die Schätzung der Volatilität erhebliche bilanzpolitische Ermessensspielräume offenbart, die mit einer Beeinträchtigung der Informationsqualität einhergehen.
Tz. 121
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Falls das betrachtete Unternehmen für Zwecke der Marktpreisbestimmung seiner Anteile eine Vergleichsgruppe börsennotierter Unternehmen heranzieht, so könnte aus den Preisinformationen für die Vergleichsgruppe die Volatilität der Anteile des betrachteten Unternehmens abgeleitet werden. Diese Vorgehensweise ist aus der Unternehmensbewertung entlehnt, wo zur Bewertung nicht börsennotierter Anteile uU ebenfalls mit sog. Peergroups gearbeitet wird. Zu den hiermit verbundenen Problemen vgl. Hommel/Dehmel, 2021, S. 72ff.
Tz. 122
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Inwieweit der Verwendung historischer oder impliziter Volatilitäten der Vorzug zu geben ist, ist umstritten. Die SEC favorisiert bei ausreichender Anzahl gehandelter alternativer Optionen des Unternehmens die Anwendung der impliziten Volatilität (vgl. Vater, WPg 2005, S. 1274). Andere Quellen bevorzugen die historische Volatilität (vgl. Herzig/Lochmann, WPg 2001, S. 88).
Gegen beide Vorgehensweisen kann Kritik vorgebracht werden. Bei Nutzu...