Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
I. Der Vollkonsolidierungskreis
1. Grundsätzliche Einbeziehungspflicht
Tz. 200
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
IFRS 10 enthält Regelungen zur Abgrenzung des Vollkonsolidierungskreises. Ein Mutterunternehmen, das einen Konzernabschluss erstellt, hat alle ausländischen und inländischen Tochtergesellschaften, dh. alle beherrschten Unternehmen, zu konsolidieren (Weltabschlussprinzip). Diese Pflicht besteht unabhängig von Rechtsform und Sitz des Mutterunternehmens und der Tochterunternehmen (vgl. Tz. 37 ff.; zu sonstigen, in den Konzernabschluss nach IFRS einzubeziehenden Unternehmen vgl. Tz. 231 ff.).
Tz. 201
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Explizite Einbeziehungsverbote oder Einbeziehungswahlrechte bestehen in IFRS 10 nicht. Tochterunternehmen sind auch bei abweichender Tätigkeit zu konsolidieren (vgl. Tz. 202 ff.). Diese Pflicht schließt neu erworbene Tochterunternehmen ein, bei denen bereits im Erwerbszeitpunkt die Absicht besteht, diese weiter zu verkaufen und die Kriterien als zur Veräußerung gehalten (held for sale) nach IFRS 5 vorliegen (wesentliches Kriterium ist die Weiterveräußerungsabsicht innerhalb der nächsten zwölf Monate). Diese Unternehmen sind zu konsolidieren, wobei allerdings vereinfachte Konsolidierungsregeln gemäß IFRS 5 zur Anwendung kommen (IFRS 10.BCZ20; vgl. Tz. 206 ff.).
Tz. 202
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Die Konsolidierungspflicht für Tochterunternehmen gilt unabhängig davon, in welcher Branche ein Tochterunternehmen tätig ist. (Früher wurde diskutiert, ob die Einbeziehung von Tochterunternehmen mit abweichender Geschäftstätigkeit mit einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vereinbar sei, verbunden mit dem Ziel, die Nichteinbeziehung von Banken, Versicherungen, Leasinggesellschaften, Wohnbetreuungsgesellschaften oder sonstigen Sozialeinrichtungen in den Konzernabschluss eines "normalen" Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmens zu rechtfertigen (vgl. stellvertretend Niehus, 1991, S. 4f.)).
Tz. 203
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Der IASB lehnt eine derartige Ausnahme von der Vollkonsolidierung bei abweichender Tätigkeit eines Tochterunternehmens ab. Bereits IAS 27.17 (amend. 2008) wies klarstellend darauf hin, dass Tochterunternehmen auch dann zu konsolidieren seien, wenn sich die Geschäftstätigkeit dieser Tochterunternehmen von der Tätigkeit anderer Unternehmen des Konzerns unterscheidet. Diese Klarstellung wurde in IFRS 10 nicht mehr explizit übernommen, gilt allerdings durch die allgemeine Definition des Beherrschungsbegriffs und der zugrunde liegenden Einheitsheorie unverändert fort (zur Einheitstheorie in der Konzernrechnungslegung vgl. Tz. 50 ff.). Die Nichteinbeziehung von Tochterunternehmen würde bedeuten, dass den Adressaten keine Informationen über den Konzernabschluss hierzu bereitgestellt werden würde. Gerade der Ausschluss von solchen Tochterunternehmen, die Finanzdienstleistungen erbringen, birgt indes die Gefahr, dass der Konzernabschluss durch die Verlagerung von Finanzgeschäften auf solche nicht konsolidierten Tochterunternehmen die wirtschaftliche Lage des Konzerns unzutreffend darstellt.
Tz. 204
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Dem Argument, dass Tätigkeiten in unterschiedlichen Branchen die Gesamtaussage des Konzernabschlusses schwieriger verständlich für Adressaten machen, begegnet die internationale Rechnungslegung vorwiegend mit dem Instrument der Segmentberichterstattung. Durch Zusatzinformationen, zB gem. IFRS 8 Segmentberichterstattung, ist ein Bild der Geschäftslage zu vermitteln, das den Adressaten die Beurteilung der Bedeutung abweichender Geschäftsfelder innerhalb des Konzerns gem. dem sog. management approach ermöglicht.
Tz. 205
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
IFRS 8.20ff. fordern zu einzelnen berichtspflichtigen Geschäftsfeldern (segments) eine Vielzahl von Informationen, die in drei Typen unterschieden werden können (IFRS 8.21; ausführlich vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 8, Tz. 77 ff.):
- allgemeine Informationen (IFRS 8.22);
- Informationen zum Periodenergebnis, Vermögenswerten und Schulden je Segment (IFRS 8.23–27);
- Überleitungen der Summen der jeweiligen Segmentdaten der berichtspflichtigen Segmente auf die entsprechenden im Abschluss ausgewiesenen Daten (IFRS 8.28).
2. Zur Weiterveräußerung erworbene oder später dazu bestimmte Tochterunternehmen
Tz. 206
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Zur Veräußerung gehaltene Tochterunternehmen nach IFRS 5 Non-current Assets Held for Sale and Discontinued Operations sind unverändert zu konsolidieren. Wenn in einem Konzern ein Verkaufsplan für ein Tochterunternehmen existiert, der den Verlust der Beherrschung zur Folge hat, ist zu überprüfen, ob die Anwendungsvoraussetzungen des IFRS 5 für zur Veräußerung gehaltene, langfristige Vermögenswerte oder Veräußerungsgruppen erfüllt sind (IFRS 5.6 bis IFRS 5.8, (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 5). Soweit dies der Fall ist, sind die konsolidierten Vermögenswerte und Schulden des Tochterunternehmens als zur Veräußerung gehalten einzustufen (IFRS 5.8A) und die besonderen Bewertungs- und Ausweisregelungen des IFRS 5 anzuwenden.
Für Tochterunternehmen, die ausschließlich zum Zweck der Weiterveräußerung erworb...