Gregor A. Bartle, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otto H. Jacobs
Tz. 16
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
In einer Vielzahl von Anwendungsfällen sollte die Entscheidung, ob Vermögenswerte als Vorräte einzustufen sind, eindeutig sein. In einzelnen Fällen kann es aber zu Abgrenzungsproblemen kommen:
Tz. 17a
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Werden Arzneimittel bereits vor Marktzulassung produziert, kann eine Qualifizierung als Vorräte in Betracht kommen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass das Unternehmen die notwendige behördliche Genehmigung erhält (vgl. EY (Hrsg.), 2021, 22.3.1.3.F). Andernfalls ist zu prüfen, ob Entwicklungskosten iSv. IAS 38 vorliegen.
Tz. 17b
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Sammlerobjekte wie bspw. Gemälde, Skulturen fallen in den Anwendungsbereich von IAS 2, wenn sie vom Unternehmen zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten werden. Besteht dagegen eine langfristige Wertsteigerungsabsicht außerhalb des normalen Geschäftsgangs, kann eine Behandlung analog IAS 40 in Betracht kommen. Für den Fall, dass derartige Objekte zu Dekorationszwecken (zB für Besprechungsräume) erworben wurden, sind die Vorschriften des IAS 16 einschlägig.
Tz. 17c
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Je nach beabsichtigter Verwendung von Immobilien sind für deren Bilanzierung und Bewertung unterschiedliche Standards einschlägig (IAS 2, IAS 11, IAS 16, IAS 40 oder IFRS 5; vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 40, Tz. 4; Künkele/Zwirner, IRZ 2009, S. 97ff.). Immobilien sind als Vorräte zu erfassen, wenn sie zum Weiterverkauf im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gehalten, erstellt oder entwickelt werden (IAS 40.9).
Tz. 18
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Produkt- und Warenproben, die vom Unternehmen gehalten werden, um sie bspw. im Rahmen einer Produktneueinführung für Zwecke der Verkaufsförderung unentgeltlich an Kunden abzugeben, erfüllen grundsätzlich nicht das von IAS 2.4 geforderte Kriterium des Verkaufs im normalen Geschäftsgang und stellen damit keine Vorräte iSd. IAS 2 dar. Sie sind als Vertriebskosten zu interpretieren, die gem. IAS 2.16 (d) einem Aktivierungsverbot unterliegen (vgl. ADS Int 2002, Abschn. 15, Tz. 24). Unter der Voraussetzung, dass sie sich nicht von den zum Verkauf bestimmten Produkten unterscheiden lassen, wird es für zulässig erachtet, sie bis zu ihrem Abgang als Vorräte zu bilanzieren (vgl. v. Keitz, in: Thiele/v. Keitz/Brücks (Hrsg.), Internationales Bilanzrecht, IAS 2, Rz. 112).
Tz. 19
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Auch Waren- oder Produktkataloge, die unentgeltlich an Kunden abgegeben werden, erfüllen mangels direkter Verkaufsabsicht nicht die Definition von Vorräten (vgl. KPMG (Hrsg.), 2020, Tz. 3.8.60.10; vgl. zur Nichtaktivierung von Versandkatalogen als immaterieller Vermögenswert Morich/Oversberg, WPg 2009, S. 355).
Tz. 20
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Handelt ein Unternehmen mit Ersatzteilen oder produziert es diese für den Verkauf, werden diese als Vorräte erfasst. Auch Ersatzteile, die aus Kulanz- oder Gewährleistungsgründen kostenlos an Kunden abgegeben werden sollen, sind ebenfalls bis zu ihrem Abgang als Vorräte zu aktivieren (vgl. v. Keitz, in: Thiele/v. Keitz/Brücks (Hrsg.), Internationales Bilanzrecht, IAS 2, Rz. 114). Eine differenzierende Betrachtung muss erfolgen, wenn Ersatzteile, Bereitschaftsausrüstung oder Wartungsgeräte (zB Werkzeuge, Schmierstoffe) für die Sachanlagen des eigenen Unternehmens bereitgehalten werden. Werden sie aller Voraussicht nach nicht länger als eine Periode genutzt werden können, sind sie bis zu ihrem Verbrauch den Vorräten zuzuordnen (IAS 16.8). Haben sie indes eine längere Nutzungsdauer, fallen sie in den Anwendungsbereich von IAS 16.
Tz. 21
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Mehrwegverpackungen (zB Mehrwegflaschen), die bestimmungsgemäß vom Hersteller mehr als eine Periode lang verwendet werden können, stellen keine Vorräte dar, sondern sind dem Sachanlagevermögen zuzuordnen (vgl. KPMG (Hrsg.), 2020, Tz. 3.8.40; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, IFRS Kommentar, § 17, Rz. 9).
Tz. 22
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Nach IAS 2 können nur diejenigen Betriebsstoffe dem Vorratsvermögen zugerechnet werden, die innerhalb des Produktionsprozesses verbraucht werden. Dagegen werden nach handelsrechtlichen Vorschriften auch Betriebsstoffe in das Vorratsvermögen miteinbezogen, die den übrigen betrieblichen Bereichen dienen, zB noch nicht ausgegebenes Büromaterial, Heizmaterial, Treibstoffe für Transportmittel und die Vorräte der Werksküchen. Solche Betriebsstoffe fallen nicht in den Anwendungsbereich von IAS 2. Sie sind damit grundsätzlich außerhalb des Vorratsvermögens, zB unter den sonstigen Vermögenswerten, auszuweisen. Gemäß IAS 8.10ff. ist IAS 2 aufgrund des Fehlens einer speziellen Bilanzierungsvorschrift aber analog anzuwenden. Unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit wird aber regelmäßig auf eine Umgliederung verzichtet werden können.
Tz. 23
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
Im Ergebnis unklar ist die Einordnung von nuklearen Brennstäben. Einerseits kann für die Anwendung von IAS 2 argumentiert werden, dass diese als Rohstoffe gem. IAS 2.6 (c) dafür bestimmt sind, ...