Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 207
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Kann der beizulegende Zeitwert nicht durch Rückgriff auf unmittelbar beobachtbare Preise oder aus Marktparametern ableitbaren Inputfaktoren gewonnen werden und ist entsprechend ein Rückgriff auf nicht an Märkten zu beobachtende Parameter erforderlich (in letzter Konsequenz bspw. unternehmensindividuelle Steuerungsinformationen oder Risikoeinschätzungen), handelt es sich bei diesen um Inputfaktoren der Stufe 3 (vgl. IFRS 13.86 iVm. B36). Der IASB stellt fest, dass sich an der Fiktion der Bemessung eines Absatzpreises für einen Veräußerungs- resp. Übertragungsvorgang unter marktkundigen Parteien nichts ändere. So habe das Unternehmen weiterhin alle verfügbaren Informationen in die Bemessung einzubeziehen, von denen auszugehen sei, dass andere Marktakteure sie ebenfalls verwenden würden, wären sie in derselben Situation (vgl. IFRS 13.87ff.). Die Verwendung von Stufe-3-Inputfaktoren zieht erweiterte Angabepflichten nach sich, die an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden sollen (vgl. IFRS 13.93(e) ff.).
Tz. 208
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Es kommt regelmäßig vor, dass ein Unternehmen ein Bewertungsmodell für die Bemessung des beizulegenden Zeitwerts eines Finanzinstruments verwendet (bspw. eines Kredits) und nicht alle preisrelevanten Faktoren ständig am Markt beobachtbar sind; das dürfte häufig insbesondere für das Kontrahentenrisiko gelten, das zwar in die Kreditkonditionen eingepreist wird und damit Teil des Transaktionspreises wird, jedoch nicht am Markt beobachtbar ist. Wenn für bestimmte Inputfaktoren keine beobachtbaren Preise oder Kurven vorliegen, hält es der IASB für sachgerecht, den zum Zugangszeitpunkt auf diesen Faktor entfallenden Spread einzufrieren und konstant zu halten. Bei einem Kredit würde man also bspw. den risikofreien Zins bei Zugang bestimmen und beim nächsten Stichtag auf den dann gültigen risikofreien Zins den ursprünglichen Credit Spread aufschlagen. Es liegt auf der Hand, dass ein derartiges Vorgehen nur dann vertretbar ist, wenn sich die Rahmenbedingungen tatsächlich nicht geändert haben. Ist dies doch der Fall, muss sich die Veränderung auch im beizulegenden Zeitwert niederschlagen, um dem Primat eines Gegenwartspreises (current price) gerecht zu werden. Die Beweislast liegt einmal mehr beim bilanzierenden Unternehmen – dieses hat alle vertretbaren Anstrengungen zu unternehmen, um festzustellen, ob preisrelevante Faktoren Änderungen erfahren haben (IASB Expert Advisory Panel 2008, Tz. 38ff.).
Tz. 209
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Anlagen in Beteiligungstitel hatte der IASB in der Vorgängerregelung IAS 39 danach unterschieden, ob die Titel auf einem aktiven Markt gehandelt werden oder nicht. Auch wenn er grundsätzlich die Meinung vertrat, dass für Beteiligungsinstrumente ein beizulegender Zeitwert mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden könne, konzedierte er, dass es gerade bei nicht notierten Eigenkapitalinstrumenten (was in Deutschland die weit überwiegende Mehrzahl der Beteiligungen betrifft – man denke an GmbH-Anteile, Kommanditanteile oder Anteile nicht börsennotierter Aktiengesellschaften) vorkommen könne, dass die Schätzwerte für den beizulegenden Zeitwert zu stark streuten, als dass sie als verlässlich eingestuft werden könnten. In jenen Fällen schloss er eine Bemessung zum beizulegenden Zeitwert aus und schrieb stattdessen eine Bewertung zu Anschaffungskosten vor (vgl. IAS 39.AG80f.). Im Zuge der Entwicklung von IFRS 9 hatte der IASB den Sachverhalt erneut unter die Lupe genommen, war bei der Abwägung der verschiedenen vorgebrachten Argumente aber zum gegenteiligen Ergebnis gekommen: Anlagen in Beteiligungstitel (sowie Derivate auf diese Beteiligungstitel) müssten stets zum beizulegenden Zeitwert bemessen werden ("All investments in equity instruments […] must be measured at fair value", IFRS 9.B5.2.3). Einen Rückgriff auf die Anschaffungskosten hält er nur in begrenzten Fällen für sachgerecht, nämlich dann, wenn nicht genügend zeitnahe Informationen für eine Fair-Value-Bemessung vorlägen oder die Schätzwerte für den beizulegenden Zeitwert stark streuten und die Anschaffungskosten den bestmöglichen Schätzer (best estimate) für den beizulegenden Zeitwert innerhalb dieser Bandbreite darstellten. Allein anhand der nicht abschließenden Auflistung möglicher Beispiele in den Anwendungsleitlinien lässt sich ablesen, dass ein flächendeckender Verzicht auf eine Bemessung des beizulegenden Zeitwerts für nicht notierte Beteiligungstitel nicht sachgerecht ist (vgl. IFRS 9.B5.2.4ff. iVm. BC5.13ff.; s. zu diesem Fragenkomplex ergänzend die vom IASB herausgegebenen Lehrmaterialien in IFRSF 2012(2013)).