Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Isabel von Keitz
Tz. 21
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Bei einem Vermögenswert handelt es sich gem. IAS 38.8 – angelehnt an die Definition des Conceptual Framework (2010) – um eine Ressource, über die ein Unternehmen aufgrund von vergangenen Ereignissen die Kontrolle hat, und von der erwartet wird, dass dem Unternehmen durch sie künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt. Obgleich die Definition eines Vermögenswertes im neuen Conceptual Framework (2018) angepasst wurde (vgl. IFRS-Komm., Teil A, Kap. II, Tz. 70–74a), kam es nicht zu einer Anpassung der in IAS 38 verankerten Definition.
Während das Kriterium des vergangenen Ereignisses nicht explizit in IAS 38 erläutert wird (hierzu vgl. IFRS-Komm., Teil A, Kap. II, Tz. 73a), werden die Merkmale "künftiger wirtschaftlicher Nutzen" (vgl. Tz. 21a) und "Kontrolle" (vgl. Tz. 22) in Hinblick auf immaterielle Vermögenswerte in IAS 38.13–17 separat konkretisiert.
Tz. 21a
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
In IAS 38.17 erläutert der IASB, dass der künftige wirtschaftliche Nutzen eines immateriellen Vermögenswertes aus Verkaufserlösen oder der Erbringung von Dienstleistungen, Kosteneinsparungen oder anderen Vorteilen, die sich für das bilanzierende Unternehmen aus der Nutzung des Vermögenswertes ergeben, resultieren kann. Gerade angesichts der Aufnahme der "anderen Vorteile" wird der Anwendungsbereich des IAS 38 bewusst offen gehalten und nicht durch die Art und Weise des Nutzenzuflusses oder durch die Verwendung des immateriellen Vermögenswertes vom berichterstattenden Unternehmen eingeschränkt (vgl. ähnlich Kühle/Thiele, in: Internationales Bilanzrecht, IAS 38, Tz. 157).
Tz. 22
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Eine besondere Bedeutung bei der Frage, ob ein immaterieller Vermögenswert vorliegt, kommt dem Kriterium der "Kontrolle" zu. Kontrolle über einen immateriellen Vermögenswert besteht, wenn das berichterstattende Unternehmen in der Lage ist, den künftigen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vermögenswert zu erhalten und den Zugriff Dritter auf diesen Nutzen auszuschließen oder zu beschränken (IAS 38.13). Verfügt das berichterstattende Unternehmen über das gesetzliche Recht an einem Vermögenswert, übt es regelmäßig auch die Kontrolle über das Gut aus. Das Innehaben eines Rechts ist indes nicht ausschlaggebend, dh. keine notwendige Voraussetzung, für das Vorliegen von Kontrolle über einen immateriellen Vermögenswert. Sofern das Unternehmen nicht über ein gesetzliches Recht verfügt, ist es jedoch mitunter schwierig(er) nachzuweisen, dass das Unternehmen den Nutzenzufluss aus dem Vermögenswert kontrollieren und Dritte von dem Nutzenzufluss ausschließen kann (IAS 38.13). Bspw. sind technisches Wissen und Marktkenntnisse nicht immer gesetzlich geschützt. Dennoch kann über diese immateriellen Güter/Ressourcen ggf. Kontrolle ausgeübt werden, wenn die Mitarbeiter durch eine vertragliche Vereinbarung zur Geheimhaltung verpflichtet werden und Dritte auf diese Weise von künftigen Nutzenzuflüssen ausgeschlossen werden können (IAS 38.14).
In Bezug auf Humankapital, Kundenbeziehungen und Marktanteile ist es idR schwierig, die Mitarbeiter bzw. Kunden an das Unternehmen zu binden und damit eine hinreichende Kontrolle über die immateriellen Vermögenswerte zu erhalten. Der IASB hält das Kriterium der Kontrolle allerdings weder für Humankapital (IAS 38.15) noch für Kundenbeziehungen und Marktanteile (IAS 38.16) für unerfüllbar. So ist es gem. IAS 38.15 denkbar, dass Humankapital die Definition eines immateriellen Vermögenswertes erfüllen kann, wenn dessen Nutzung und der Erhalt des wirtschaftlichen Nutzenzuflusses aus diesem durch einen Rechtsanspruch geschützt sind. Dies kann zB im Profisport gegeben sein, wenn mit dem Profisportler ein (langfristiger und eingeschränkt kündbarer) Vertrag abgeschlossen wurde, wodurch der Spieler an den Club gebunden ist und so zumindest Dritte vom Nutzenzufluss ausgeschlossen werden (vgl. ua. KPMG, Insights into IFRS 2019/2020, Tz. 3.3.60.40f.; Homberg/Elter/Rothenburger, KoR 2004, S. 253 sowie vgl. Tz. 183–189). Bei Erfüllung der sonstigen Definitions- und Ansatzkriterien ist das "Spielervermögen" ansatzpflichtig (vgl. hierzu ausführlich Homberg/Elter/Rothenburger, KoR 2004, S. 249–263; EY, International GAAP 2020, S. 1241 und vgl. Tz. 183–189; zur Bewertung von Spielervermögen vgl. Baetge/Klönne/Weber, KoR 2013, S. 310–319). Ist das Humankapital hingegen nicht durch einen Rechtsanspruch geschützt, hat das Unternehmen regelmäßig keine Beherrschungsmöglichkeit über das Mitarbeiter-Know-how, sodass die asset-Definition nicht erfüllt ist. In diesem Fall ist idR auch die geforderte Separierbarkeit iSd. selbständigen Verwertbarkeit nicht gegeben (allgemein zur Bilanzierung und Berichterstattung von Humankapital vgl. Anders, PiR 2017, S. 303–310).
Mit der Überarbeitung des IAS 38 im Jahr 2004 wurde in IAS 38.16 klargestellt (IAS 38.BC14), dass Kundenbeziehungen auch ohne Rechtsansprüche zum Schutz dieser Kundenbeziehungen immaterielle Vermögenswerte iSd. IAS 38.8 sein können, wenn durch separate (also...