Prof. Dr. Corinna Ewelt-Knauer, Dr. Julian Höbener
Tz. 75e
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie (COVID-19) im Jahr 2020 haben in vielen Ländern Leasinggeber ihren Leasingnehmern Mietzugeständnisse (rent concessions) gewährt, bspw. in Form eines Erlasses oder von Stundungen der Leasingzahlungen. Für derartige Zugeständnisse müssten Leasingnehmer im Rahmen der Anwendung von IFRS 16 eigentlich beurteilen, ob eine Modifikation des Leasingverhältnisses im Sinne dieses Standards vorliegt und, wenn dies bejaht wird, die Zugeständnisse nach den Modifikationsregelungen gem. IFRS 16.44–46 bilanziell abbilden (nur in Ausnahmefällen dürfte eine Neubeurteilung einschlägig sein; vgl. Freiberg/Schunk, PiR 2020, S. 181; Kolb/Meinhövel, DB 2020, S. 1529). Der IASB hat allerdings festgestellt, dass es für Leasingnehmer angesichts einer potenziell großen Anzahl von betroffenen Leasingvereinbarungen besonders komplex sein könnte, die Modifikationsvorschriften auf jede einzelne Vereinbarung (lease-by-lease) anzuwenden, zumal die Unternehmen im Kontext der Pandemie ohnehin großen (wirtschaftlichen) Herausforderungen gegenüberstehen (IFRS 16.BC205B). Infolgedessen hat der IASB am 28. Mai 2020 in einem vergleichsweise schnellen und unbürokratischen Verfahren ("im Schnellverfahren"; Freiberg/Schunk, PiR 2020, S. 184) den Änderungsstandard "Covid-19-Related Rent Concessions – Amendment to IFRS 16" veröffentlicht, nachdem zuvor am 24. April 2020 der entsprechende Exposure Draft ED/2020/2 veröffentlicht wurde.
Durch diesen Änderungsstandard wird für Leasingnehmer eine temporäre, optional anzuwendende Erleichterungsvorschrift in IFRS 16 implementiert, wonach der Leasingnehmer für Mietzugeständnisse im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nicht zu prüfen braucht, ob eine Modifikation iSd. IFRS 16 vorliegt, sondern derartige Zugeständnisse so bilanzieren darf, als wenn keine Modifikation vorläge (IFRS 16.46A). Folglich werden bei Anwendung dieser optionalen Ausnahmeregelung Mietzugeständnisse nicht als Modifikation abgebildet, sondern idR als negative variable Leasingzahlung gem. IFRS 16.38 (b) erfolgswirksam erfasst. Für Leasingnehmer entfällt damit die Pflicht zur Durchsicht und rechtlichen Beurteilung aller entsprechenden Leasingvereinbarungen und insbesondere auch die eventuelle Bestimmung eines neuen Diskontierungszinssatzes im Zusammenhang mit der Neubewertung der Leasingverbindlichkeit.
Tz. 75f
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Aus verschiedenen Gründen, die der IASB in IFRS 16.BC240A ausführlich beschreibt, gilt die Erleichterungsvorschrift nicht für Leasinggeber (ausführlich zur Abbildung einer Modifikation auf Leasinggeberseite vgl. Tz. 146f–146h; konkret zur Bilanzierung einer eingeräumten Mietkonzession auf Leasinggeberseite vgl. auch Freiberg/Schunk, PiR 2020, S. 184; Kolb/Meinhövel, DB 2020, S. 1528–1530).
Tz. 75g
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Der Anwendungsbereich der Erleichterungsvorschrift des IFRS 16.46A ist eng abgegrenzt. So darf nach IFRS 16.46B die Erleichterungsvorschrift nur für solche Mietzugeständnisse in Anspruch genommen werden, die einem Leasingnehmer als direkte Konsequenz der Corona-Pandemie gewährt wurden und zusätzlich nur dann, wenn die folgenden weiteren Anwendungsvoraussetzungen kumulativ erfüllt werden:
- Die Änderung der Leasingzahlungen führt zu einer veränderten Gegenleistung (revised consideration) für das Leasingverhältnis, die im Wesentlichen gleich oder geringer ist als die Gegenleistung unmittelbar vor der Änderung (IFRS 16.46B (a));
- jede Minderung der Leasingzahlungen betrifft lediglich Zahlungen, die ursprünglich am oder vor dem 30. Juni 2021 fällig waren (IFRS 16.46B (b)); und
- es liegen keine wesentlichen Änderungen der sonstigen vertraglichen Bedingungen (terms and conditions) der Leasingvereinbarung vor (IFRS 16.46B (c)).
Es bedarf folglich einer reinen Mietkonzession, dh. einer Mietstundung oder einer Mietkürzung (vgl. Freiberg/Schunk, PiR 2020, S. 182). Führt das Mietzugeständnis umgekehrt zu einer Erhöhung der Gegenleistung, kann die Voraussetzung des IFRS 16.46B (a) nur dann erfüllt werden, wenn die Erhöhung lediglich den Zeitwert des Geldes (time value of money) reflektiert (IFRS 16.BC205D (a)). So wäre es bspw. unschädlich, wenn gestundete Zahlungen nominell um den Zeitwert des Geldes erhöht werden (vgl. auch BDO, Accounting for Rent Concessions: Lessee FAQs, S. 6).
Mit Blick auf die zeitliche Restriktion des IFRS 16.46B (b) ist zu betonen, dass eine über den 30. Juni 2021 hinaus gewährte Mietkonzession in ihrer Gesamtheit nicht die Anwendungsvoraussetzung erfüllt (IFRS 16.BC205D (b)), eine anteilige Inanspruchnahme also nicht zulässig ist (vgl. auch PwC, IFRS für die Praxis: Änderung des IFRS 16 – COVID-19 bezogene Mietzugeständnisse, S. 5). Gestundete Zahlungen, die ursprünglich am oder vor dem 30. Juni 2021 fällig waren und erst nach dem 30. Juni 2021 zu leisten sind, erfüllen hingegen die Voraussetzung des IFRS 16.46B (b) (IFRS 16.BC205D (c); vgl. auch PwC, IFRS für die Praxis: Änderung des IFRS 16 – COVID-19 bezogene M...