Prof. Dr. Bettina Thormann, Prof. Dr. Marius Gros
Tz. 134
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Die BaFin trifft bestimmte Mitteilungspflichten nach Maßgabe von § 110 Abs. 1 und Abs. 2 WpHG. Diese Pflichten bestehen gegenüber
- zuständigen Strafverfolgungsbehörden,
- der Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sowie
- zuständigen Börsenaufsichtsbehörden.
Tz. 135
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Voraussetzung für die Mitteilungspflicht nach § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG gegenüber der zuständigen Strafverfolgungsbehörde ist, dass die BaFin bei ihrer Tätigkeit auf Tatsachen stößt, die den Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit der Rechnungslegung eines Unternehmens begründen. Die BaFin darf ausdrücklich personenbezogene Daten der betroffenen Personen, gegen die sich der Verdacht richtet oder die als Zeugen in Betracht kommen, übermitteln (§ 110 Abs. 1 Satz 2 WpHG).
Tz. 136
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Im Falle einer Anzeige bei der zuständigen Strafverfolgungsbehörde verbleiben der BaFin grundsätzlich ihre Befugnisse, obgleich ein klarer Vorrang des staatsanwaltlichen Verfahrens besteht (vgl. Tz. 109c). Die BaFin hat ihre Befugnisse im Einvernehmen mit der zuständigen Behörde auszuüben (vgl. RegE FISG, BT-Drucks. 19/26966, S. 84). Das heißt, es muss Einvernehmen bestehen, dass die Maßnahmen zur Prüfung der Rechnungslegung erforderlich sind und eine wesentliche Beeinträchtigung bzw. Gefährdung der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden oder auch der für Strafsachen zuständigen Gerichte nicht zu erwarten ist. Maßstab für die BaFin ist stets die Sicherung der ordnungsgemäßen Information des Kapitalmarkts (vgl. RegE FISG, BT-Drucks. 19/26966, S. 84). Allerdings soll auch verhindert werden, dass durch unabgestimmte Auskunfts- und Vorlageersuchen, das Unternehmen und die Verantwortlichen "aufgeschreckt" werden (vgl. Pötzsch, 2022).
Tz. 137
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Der Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sind Tatsachen zu übermitteln, die auf das Vorliegen einer Berufspflichtverletzung durch den Abschlussprüfer des geprüften Unternehmens schließen lassen oder konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften begründen. Diese Voraussetzung sollten gegeben sein, wenn ein von der BaFin geprüfter und mit uneingeschränktem Bestätigungsvermerk versehener Abschluss von ihr als fehlerhaft bewertet wurde. Die Tatsache, dass nahezu jede Fehlerfeststellung für den betroffenen Abschlussprüfer ein berufsrechtliches Verfahren zur Folge hat, dürfte eine der wirksamsten Maßnahmen darstellen, der Nichtaufdeckung von Fehlern durch den Abschlussprüfer im Rahmen der Jahres- oder Konzernabschlussprüfung vorzubeugen.
Tz. 138
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Weiterhin sind Tatsachen, die auf das Vorliegen eines Verstoßes des Unternehmens gegen börsenrechtliche Vorschriften schließen lassen, der zuständigen Börsenaufsichtsbehörde zu übermitteln (§ 110 Abs. 2 Satz 2).
Tz. 139
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Aufgrund der umfassenden Mitteilungspflichten der BaFin gegenüber anderen Stellen sollten betroffene Unternehmen und deren Abschlussprüfer insbesondere bei Anlassprüfungen bzw. aufkommenden schwerwiegenderen Verdachtsmomenten auf eine "orchestrierte Ansprache und Untersuchung" durch mehrere Aufsichtsstellen sowie ggf. auf die Einschaltung anderer Stellen innerhalb der BaFin vorbereitet sein (vgl. Benzing/Denninger/Röger, NZG 2022, S. 1426).
Tz. 140
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Bei fehlerhaften Abschlüssen ausländischer Unternehmen verpflichtet § 111 Abs. 1 WpHG iVm. § 18 WpHG die BaFin zwar nicht, ermöglicht es ihr aber insbesondere bei europäischen Emittenten, eine ausländische Behörde zu informieren, insbesondere dann, wenn es der einheitlichen Anwendung und Durchsetzung der harmonisierten Transparenzregeln in Europa dient (vgl. Anzinger/Hönsch in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 8. Aufl., § 111 WpHG, Tz. 2).
Tz. 141
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Als Reaktion auf den Bilanzbetrug-Skandal um das ehemalige DAX-Unternehmen Wirecard war es eine der Zielsetzungen des FISG, dass der für die Aufklärung mutmaßlicher Rechnungslegungsverstöße erforderliche Informationsaustausch zwischen den beteiligten Stellen nicht durch gesetzliche Verschwiegenheitspflichten beeinträchtigt oder gar blockiert werden darf (vgl. RegE FISG, BT-Drucks. 19/26966, S. 83). Es gelte, einen hinreichenden Informationsaustausch zu gewährleisten und den Stellen eine effektive Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben zu ermöglichen (vgl. RegE FISG, BT-Drucks. 19/26966, S. 84).
Tz. 142
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Um Interaktionsmöglichkeiten sicherzustellen, befreit § 109a WpHG die dort genannten Behörden und Stellen jeweils umfassend von gesetzlichen oder sonstigen Verschwiegenheits- und Geheimhaltungsvorschriften im Verhältnis zueinander. Dies betrifft, unter Berücksichtigung zwischenzeitlich geänderter Bezeichnungen von Ministerien,
- die BaFin
- die Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschafts- und Ausfuhrkontrolle,
- das Bundesminister...