Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 344
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Im Zuge der Entwicklung der Hedge-Accounting-Vorschriften von IFRS 9 war die Absicherung von Finanzinstrumenten gegen Veränderungen des Kreditrisikos Gegenstand kontroverser Diskussionen (s. a. Berger/Geisel/Struffert, WPg 2014, S. 366). Noch im dem endgültigen Standard vorausgehenden Entwurf hatte der IASB eine bilanzielle Anerkennung beim Einsatz von Kreditderivaten explizit versagt. Ursächlich dafür war die – sachlich zutreffende – Einschätzung, dass im Spread zwischen dem risikofreien Marktzins und dem einem Kunden in Rechnung gestellten Zins nicht nur das Kreditrisiko, sondern auch Liquiditäts-, Refinanzierungs- und anderweitige Risiken und Margenelemente enthalten seien. Damit aber wären etwaige Veränderungen des beizulegenden Zeitwerts, die auf ein geändertes Kreditrisiko zurückgehen, nicht mehr eigenständig identifizierbar, was der Kernvoraussetzung für infrage kommende Sicherungsgegenstände zuwiderliefe (vgl. IFRS 9.BC6.470 und 503). So konzeptionell begründet diese Ablehnung auch war, sie kam schlicht zur denkbar falschen Zeit: Der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Bros. war zum Auslöser einer gewaltigen Nachfrage nach Sicherungsinstrumenten geworden, mit denen Finanzinstitute sich vor den offenkundig gewordenen Folgen einer Bonitätsverschlechterung absichern wollten. In solch einer Situation ökonomisch rationales Verhalten bilanziell sanktionieren zu wollen, musste Kritik hervorrufen (vgl. IFRS 9.BC6.491ff.).
Tz. 345
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Der IASB ist zwar in der finalen Fassung nicht von seiner Entscheidung abgerückt, hat im Gegenzug aber eine alternative Lösung vorgesehen (vgl. IFRS 9.BC6.474ff. zur Darstellung sämtlicher im Vorfeld untersuchter Alternativen und 500ff. für die untersuchten Varianten im Zuge der endgültigen Fertigstellung): eine Art Fair Value Option, die – sieht man genauer hin – ungleich mehr Spielraum bietet als das Original (für eine tabellarische Gegenüberstellung vgl. Berger/Geisel/Struffert, WPg 2014, S. 369). Ein Unternehmen darf beim Einsatz eines Kreditderivats, das zur vollständigen oder teilweisen Absicherung des Bonitätsrisikos eines Finanzinstruments verwendet und den allgemeinen Derivateregeln folgend bilanziert wird, das so gesicherte Finanzinstrument in dem Ausmaß, wie es abgesichert wird, ebenfalls zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten designieren – und zwar im Gegensatz zur generellen Option jederzeit (vgl. IFRS 9.6.7.1; zur Begründung s. BC6.471f. und 539ff.)! Ferner schließt dies Finanzinstrumente ein, die nicht im Anwendungsbereich des Standards liegen. Zwei Bedingungen gibt der Board vor: Zum einen muss die Referenz des Kreditderivats mit der tatsächlichen Adresse des gesicherten Instruments übereinstimmen, zum anderen muss der Rang des unter dem Derivat zu liefernden Instruments mit jenem des Sicherungsgegenstands übereinstimmen. Übt ein Unternehmen die Fair Value Option dann aus, ist die Designation gleichzeitig zu dokumentieren (vgl. IFRS 9.6.7.1).
Tz. 346
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Wenn ein Unternehmen von dem Wahlrecht Gebrauch macht, hat es eine etwaige Differenz zwischen Buchwert und beizulegendem Zeitwert des Sicherungsgegenstands zum Zeitpunkt der Designation im Periodenergebnis umzugliedern. Das gilt sowohl für Geschäfte, die entweder (noch) gar nicht angesetzt wurden als auch für solche, die bis dato zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet wurde oder deren Wertänderungen gem. IFRS 9.4.1.2A im Sonstigen Gesamtergebnis erfasst wurden (vgl. IFRS 9.6.7.2). Die Bilanzierung ist zu beenden, wenn das Finanzinstrument nicht länger gegen Kreditrisiken gesichert wird und die oben (vgl. Tz. 345) genannten Kriterien nicht länger gegeben sind. Als Beispiel führt der IASB an, dass das Kreditderivat ausgelaufen, glattgestellt oder ausgeübt worden sein mag oder das Kreditrisiko nicht länger mittels Kreditderivaten gemanagt wird und sich das Geschäftsmodell für das vormals gesicherte Finanzinstrument nicht geändert hat (vgl. IFRS 9.6.7.3). Bei Beendigung der Absicherung wechselt das Finanzinstrument dann wieder auf seinen Bewertungsmaßstab, den es vor der Aufnahme der Sicherung hatte (typischerweise fortgeführte Anschaffungskosten). Dabei wird der beizulegende Zeitwert zu diesem Zeitpunkt der neue Buchwert. Die Differenz zu den fortgeführten Anschaffungskosten, die sich ergeben hätten, wäre der Posten nicht abgesichert worden, sind wie beim Hedge Accounting über die Restlaufzeit zu amortisieren (vgl. IFRS 9.6.7.4 und BC6.545(b)).
Tz. 347
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Die bilanzielle Absicherung von Kreditrisikopositionen wird mit dieser Gemengelage faktisch zu einem seltsamen und artfremden Zwitter aus Fair Value Option und Hedge-Accounting-Vorschriften. Auf der einen Seite fordert der IASB eine vollständige Fair-Value- und keine bloße risikoinduzierte Bewertung, wie sie beim Fair Value Hedge Accounting geboten ist. Auf der anderen Seite kann diese Form der Fair Value Option wieder abgestellt werden – zwar nicht nach Belieben,...