Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Isabel von Keitz
Tz. 190
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Eine umfassende Überarbeitung der Bilanzierung von immateriellen Vermögenswerten respektive IAS 38 plant der IASB aktuell nicht. Mit der Bilanzierung nach IAS 38 verbundene Aspekte sind jedoch aktuell zumindest Teil der Research Pipeline des IASB: Bedingte bzw. variable Kaufpreisbestandteile (vgl. Tz. 82a) sowie Emissionsrechte (vgl. Tz. 174–178).
Sinnvoll wäre es uE, den konkreten Anwendungsbereich des IAS 38 nochmals eingehender zu prüfen. So waren dieser sowie die damit verbundenen Rechtsfolgen gerade in der jüngsten Vergangenheit vermehrt in Bezug auf neuartige Sachverhalte im Fokus, zB bei Kryptowährungen, Emissionsrechten oder Cloud Computing. Gerade mit Blick auf die ersten beiden Sachverhalte könnte ggf. der Anwendungsbereich des IAS 38 nochmals geschärft werden, da die Anwendung der Normen des IAS 38 auf zu Tausch- bzw. zu Investmentzwecken gehaltene immaterielle Vermögenswerte vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks des IAS 38 zumindest fraglich ist. In Bezug auf die angesprochenen und mit der zunehmenden Digitalisierung von Unternehmen verbundenen Bilanzierungsfragestellungen von Software (Cloud-Vereinbarungen, Apps, künstliche Intelligenz) kann zwar festgehalten werden, dass die allgemeinen Kriterien des IAS 38 auch auf diese Sachverhalte angewendet werden können. Gleichwohl sind hiermit verschiedene Herausforderungen verbunden, da die Normen des IAS 38 nicht mit Blick auf diese Sachverhalte konzipiert wurden (vgl. hierzu auch Loitz, DB 7/2017, S. M5). Gerade in Hinblick auf die ohnehin bestehenden Ermessensspielräume bei der Herstellung/Entwicklung von Software werden durch die neuen Sachverhalte vermehrt Unsicherheiten in Bezug auf die adäquate bilanzielle Behandlung bestehen, sei es beim bilanzierenden Unternehmen, beim primären Adressaten oder auch beim Wirtschaftsprüfer. Insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung von Software in einer digitalisierten Welt ist der Standardsetzer dringend aufgefordert, die (technologischen) Entwicklungen eng zu verfolgen, um ggf. erforderliche Anpassungen der Normen rechtzeitig einzuleiten.