Prof. Dr. Andreas Barckow, Jens Berger
Tz. 278
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
Bei der Vorstellung der Bilanzierungsverfahren für die Absicherung von Zeitwert- resp. Zahlungsstromrisiken wurde darauf hingewiesen, dass sich die jeweils anzuwendende Methodik aus der Art des Risikos ergibt, dem das Grundgeschäft unterliegt. Diese Aussage ist fachlich zutreffend, allerdings unvollständig, denn sie gilt nur, wenn das Beurteilungsobjekt ein einzelnes abzusicherndes Geschäft ist. Gerade Großunternehmen sichern üblicherweise aber nicht einzelne Geschäfte, sondern Aggregate und häufig auch Nettopositionen ab. Wenn die bilanzielle Absicherung von Nettopositionen auch unzulässig ist – sieht man einmal von der vorstehenden Portfolioabsicherung von Festzinsgeschäften ab –, lässt sich zuweilen ein vergleichbares Ergebnis doch auch in der Rechnungslegung erzielen. Insbesondere dann, wenn gegenläufige Festsatz- und variabel ausgestaltete Geschäfte Gegenstand der Sicherungsüberlegungen sind, haben Unternehmen faktisch die Wahl zwischen Fair Value oder Cash Flow Hedge Accounting. Dieser Zusammenhang sei anhand eines einfachen Beispiels verdeutlicht.
Beispiel 6 – Fair Value oder Cash Flow Hedge Accounting?
Sachverhalt: Ein Kreditinstitut hat zwei Geschäfte getätigt: Eine variabel verzinsliche Geldaufnahme mit fünfjähriger Laufzeit, deren Verzinsung sich nach dem aktuellen Stand des 6-Monats-EURIBOR ergibt, sowie die Ausreichung eines Festzinskredits mit gleicher Laufzeit und identischem Volumen, der endfällig zurückgezahlt und mit 6 % pa. bedient wird. Das betriebliche Risikomanagement kann die infolge der Fristentransformation bestehende Zinsrisikoposition durch Eintritt in einen Payer Swap schließen, unter dem es Zinsen iHv. 6 % pa. zahlt und den 6-Monats-EURIBOR erhält. Welche Bilanzierungsalternativen bestehen für das Institut?
Beurteilung: Der Bank bieten sich zwei Möglichkeiten der bilanziellen Abbildung:
- Sie kann den Swap als Sicherungsinstrument für den Festzinskredit einsetzen. Die Absicherung eines Festpreisgeschäfts zieht eine Anwendung des Fair Value Hedge Accountings nach sich. Das bedeutet, dass der Kredit entgegen der üblichen Norm nicht zu fortgeführten Anschaffungskosten, sondern zinsrisikoinduziert bewertet wird. Ökonomisch gesehen wird der Festzinskredit in eine synthetische variabel verzinsliche Anlage umgewandelt, der die variabel verzinsliche Verbindlichkeit gegenübersteht.
- Alternativ kann sie den Swap auch zur Absicherung der variabel verzinslichen Geldaufnahme einsetzen. Die Absicherung eines variabel konditionierten Geschäfts führt zu einer Anwendung des Cash Flow Hedge Accountings. Das bedeutet, dass die Erfolgswirkungen aus dem Sicherungsinstrument nicht wie üblich im Periodenergebnis erfasst, sondern via Sonstiges Ergebnis in einer eigenen Rücklage gespeichert werden. Ökonomisch entspricht dies einer Umwandlung der variabel verzinslichen Geldaufnahme in eine synthetische Festzinsrefinanzierung, der eine Festzinsanlage gegenübersteht.
Tz. 279
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
Ungeachtet der Tatsache, für welche Sicherungsmethodik sich die Bank in dem vorstehenden Beispiel entscheidet, ergibt sich in beiden Fällen aus den drei Geschäften eine risikoneutrale Gesamtposition. Die bilanziellen Konsequenzen unterscheiden sich indes deutlich: Eine erfolgsmäßige Kompensation der Wertveränderungen von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument findet nämlich lediglich beim Fair Value Hedge Accounting statt. Entscheidet sich die Bank demgegenüber zur Anwendung des Cash Flow Hedge Accountings, kommt es infolge der Verlagerung der Bewertungserfolge aus dem Sicherungsinstrument zwar zu einer Beseitigung der Ergebnisvolatilität im Periodenergebnis – die Eigenkapitalvolatilität lässt sich indes nicht beseitigen, weil die gegenläufigen Wertänderungen beim Kredit anfallen und dieser beim Cash Flow Hedge Accounting gerade nicht zinsinduziert bewertet wird.
Tz. 280
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
Im Zusammenhang mit der Sicherungsbilanzierung sei abschließend noch einmal auf die von der EU modifizierte Fassung von IAS 39 hingewiesen. Bilanzierer, die in der Europäischen Union domiziliert sind, haben die IFRS in der Fassung anzuwenden, wie sie im Amtsblatt der Europäischen Union abgedruckt sind (sog. indossierte IFRS). Üblicherweise übernimmt die Kommission die Standards und Interpretationen auf Empfehlung der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) und nach Anhörung von Parlament und Ministerrat ohne Abänderung (dh. die pflichtmäßig anzuwendenden Teile ohne Grundlage für Schlussfolgerungen und Umsetzungsleitlinien/-beispiele). Im Falle von IAS 39 hat die Kommission jedoch ua. in Bezug auf die Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen Hand angelegt (s. Verordnung (EG) Nr. 2086/2004 vom 19. November 2004, PricewaterhouseCoopers, 2017, S. 832f.): Hierbei wurden ua. Teile der Regelungen in der Portfolioabsicherung von Festzinsgeschäften herausgeschnitten. Diese sog. Carve-outs haben nach wie vor Bestand und beziehen sich im Wesentlichen auf drei Punkte:
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die Versagung der bilanz... |