Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
I. Überblick
Tz. 409
Sand: EL 19 – ET: 12/2012
Gemäß dem Einheitsgrundsatz (IFRS 10 Appendix A) umfasst der Konzernabschluss nach IFRS bei vollkonsolidierten Unternehmen ohne Rücksicht auf die Beteiligungsquote des Mutterunternehmens am Tochterunternehmen dessen Vermögenswerte und Schulden vollständig. Werden Anteile an Tochterunternehmen von Gesellschaftern gehalten, die nicht zum Konsolidierungskreis des Mutterunternehmens gehören, ist für den auf außenstehende Gesellschafter entfallenden Anteil am Eigenkapital des zu konsolidierenden Unternehmens (sog. nicht beherrschende Anteile) ein Ausgleichsposten zu bilden.
Tz. 410
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Die Behandlung von nicht beherrschenden Anteilen war ein zentrales Thema der zweiten Phase des Projekts Business Combinations und führte zu geänderten Fassungen von IFRS 3 und IAS 27 im Jahr 2008 (ausführlich vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 3, Tz. 253 ff.). Dabei ergaben sich bzgl. der Behandlung der nicht beherrschenden Anteile folgende wesentliche Änderungen (die in IFRS 10 fortbestehen):
- Änderung des Begriffs von "Minderheitsanteil" (minority interest) in "nicht beherrschende Anteile" (non-controlling interest; vgl. Tz. 34);
- Pflicht zur Verlustzuweisung auf die nicht beherrschenden Anteile;
- Bestimmung, dass Transaktionen mit Anteilseignern ohne beherrschenden Einfluss als Eigenkapitaltransaktionen abzubilden sind.
Die im Folgenden dargestellten Regelungen sind Ausfluss des einheitstheoretischen Gedankenkonzepts, das der Konzernrechnungslegung nach IFRS zugrunde liegt (vgl. Tz. 52).
II. Ermittlung der nicht beherrschenden Anteile
Tz. 411
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
In der Konzernbilanz ist gem. IFRS 10.22 iVm. IFRS 10.B86 (b) ein Posten für nicht beherrschende Anteile am Reinvermögen vollkonsolidierter Tochterunternehmen zu bilden. Nicht unter diesen Posten fallen Anteile am Mutterunternehmen selbst (eigene Anteile), an assoziierten Gemeinschaftsunternehmen (IAS 28 bzw. IFRS 11), an anderen Beteiligungsunternehmen (IFRS 9, vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 9, Tz. 224) und Anteile an Tochterunternehmen, die nicht vollkonsolidiert wurden.
Tz. 412
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Gemäß IFRS 3 besteht ein Wahlrecht, die nicht beherrschenden Anteile anhand des anteiligen neubewerteten Reinvermögens des Tochterunternehmens zum Zeitpunkt des Unternehmenszusammenschlusses (sog. Purchased-Goodwill-Methode; dies entspricht iW der Regelung in IFRS 3 (2004)) oder zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten (IFRS 3.19). Im letztgenannten Fall entfällt auf sie auch ein Teil des Goodwills, weshalb die Methode auch als sog. Full-Goodwill-Methode bezeichnet werden kann; ausführlich vgl. hierzu IFRS-Komm., Teil B, IFRS 3, Tz. 254 ff.). In diesem Fall sind bei der Bewertung der Minderheitsanteile in den Folgeperioden zusätzlich ggf. Wertminderungen des Goodwills gem. IAS 36 zu berücksichtigen (IFRS 3.BC63 (c)).
Tz. 413
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Das anteilige Reinvermögen zum Zeitpunkt des ursprünglichen Unternehmenszusammenschlusses ist nach IFRS 3.10 und IFRS 3.18 auf Basis der beizulegenden Zeitwerte von Vermögenswerten und Schulden, dh. nach Aufdeckung aller stillen Reserven und Lasten, zu ermitteln. Falls dabei ein negativer Unterschiedsbetrag entsteht, sind die Anschaffungskosten der Beteiligung und der Wertansatz der übernommenen Vermögenswerte und Schulden erneut zu prüfen. Ein danach verbleibender negativer Unterschiedsbetrag ist sofort erfolgswirksam zu vereinnahmen (ausführlich vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 3, Tz. 268 ff.).
Tz. 414
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Auf nicht beherrschende Anteile entfallende Eigenkapitalveränderungen des Tochterunternehmens nach dem Zeitpunkt des ursprünglichen Unternehmenszusammenschlusses sind im Wertansatz dieses Anteils zu berücksichtigen. Sie können aus thesaurierten Gewinnen oder Verlusten (zur Verlustzuweisung vgl. Tz. 421 ff.), sonstigem Gesamtergebnis, Dividenden sowie Kapitalveränderungen durch Kapitalerhöhungen oder Kapitalherabsetzungen resultieren.
Tz. 415
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Ebenfalls zu berücksichtigen sind die auf sie in den Folgeperioden entfallenden ergebniswirksamen Konsolidierungsmaßnahmen, zB anteilige Abschreibungen auf stille Reserven und anteilige Auflösungen stiller Lasten, da die Anteilseigner ohne beherrschenden Einfluss auch an den stillen Reserven und Lasten beteiligt sind. Beim Abgang von Vermögenswerten und Schulden können sich zudem – neben anderen Transaktionen – Veräußerungsgewinne oder Veräußerungsverluste ergeben. Während dies in IFRS 10 zwar nicht explizit geregelt ist, entspricht diese Vorgehensweise dennoch der Einheitstheorie und führt zu einer Darstellung der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns (vgl. Tz. 50 ff.; zur Beachtung der Grundsätze der Wesentlichkeit und der Wirtschaftlichkeit vgl. Tz. 299).
Tz. 416
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Ebenso wie in IAS 27 (amend. 2008) wird in IFRS 10 bisher nicht zu der Frage Stellung genommen, wie Zwischengewinne und Zwischenverluste sowie sonstige Konsolidierungseffekte einschließlich der Auswirkungen der Währungsumrechnung, ...