Tz. 65
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Die IFRS greifen nicht nur auf Controllinginformationen zurück, sondern bilden im Rahmen eines integrierten Rechnungswesens umgekehrt auch die Datenbasis für die Unternehmenssteuerung. Während im angloamerikanischen Raum die Nutzung von Daten des externen Rechnungswesens für die interne Unternehmenssteuerung seit jeher üblich ist, hat sich im deutschsprachigen Raum seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein eigenständiges internes Rechnungswesen mit einer eigenen Datenbasis etabliert. Die Trennung in die zwei Teilgebiete externes und internes Rechnungswesen geht dabei auf die Arbeiten von Schmalenbach zurück und war geleitet durch organisatorische Aspekte der Umsetzung des betrieblichen Rechnungswesens in der Praxis (vgl. Schmalenbach, ZfhF 1919, S. 261ff.; sowie Schaier, BFuP 2008, S. 129f.). Zudem vertrat Schmalenbach die Auffassung, dass aufgrund unterschiedlicher Zwecke die Fundierung betrieblicher Entscheidungen nicht mit den Daten des externen Rechnungswesens erreichbar sei und führte daher die Differenzierung von Aufwand und Kosten sowie den wertmäßigen Kostenbegriff ein (vgl. Schmalenbach 1963). Der von Schmalenbach entwickelte Kontenrahmen förderte die Verbreitung der von ihm konzipierten zwei Rechenkreise in der Unternehmenspraxis. Später trugen darüber hinaus auch regulatorische Vorschriften zur Preiskalkulation öffentlicher Aufträge zur Verbreitung des Zweikreissystems in Deutschland bei (vgl. Männel, krp 1997, S. 10). So sahen die 1938 einführten Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) den Ansatz kalkulatorischer Kosten vor.
Tz. 66
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Obgleich die Gedanken Schmalenbachs auch in anderen europäischen Ländern wahrgenommen und aufgegriffen wurden, beeinflussten sie nicht die Entwicklung des Rechnungswesens in den USA und anderen anglophonen Ländern (vgl. Jones/Luther, Accounting in Europe 2005; Ikäheimo/Taipaleenmäki, DBW 2010). Geprägt durch andere kulturelle und institutionelle Rahmenbedingungen entstand dort ein stärker integriertes Rechnungswesen auf der Grundlage einer pagatorischen Datenbasis (vgl. Kajüter 2008, S. 340). Auf den Ansatz kalkulatorischer Kosten wird dabei grundsätzlich verzichtet; er findet sich allenfalls in fallweisen Sonderrechnungen als Opportunitätskosten. Damit liegen dem externen und internen Rechnungswesen in angloamerikanischen Unternehmen einheitliche Rechengrößen zugrunde (Einkreissystem). In dieser Struktur werden vor allem Effizienzvorteile gesehen: "U. S. companies must have decided, sixty and seventy years ago, that the benefits of keeping two sets of books – one for external parties and one for internal management decisions – were too costly relative to the benefits" (Kaplan/Atkinson 1989, S. 9).
Tz. 67
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In der Folge haben sich auch der Ausbau und der Stellenwert des internen Rechnungswesens international unterschiedlich entwickelt. Während in Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren sehr differenzierte Kostenrechnungssysteme mit detaillierten Verrechnungstechniken entstanden und das interne Rechnungswesen und später auch das Controlling in der Forschung, Lehre und Praxis eine prominente, eigenständige Rolle einnahmen und auch heute noch einnehmen, ist die Kostenrechnung in amerikanischen Unternehmen recht einfach ausgestaltet und stand lange Zeit im Schatten des kapitalmarktorientierten externen Rechnungswesens (vgl. Kajüter, 2011). Die seit den 1990er Jahren in den USA geführte Diskussion um wertorientierte Performancekennzahlen, wie zB den Economic Value Added (EVA), mit denen die Unzulänglichkeiten traditioneller Kennzahlen behoben werden sollen, zeigt jedoch, dass auch eine auf den Zahlen des externen Rechnungswesens aufbauende interne Steuerung nicht ohne Anpassungen auskommt. Vielmehr entsprechen die im Rahmen des EVA-Konzepts empfohlenen Korrekturen an den Abschlussdaten (sog. Conversions) in vielen Aspekten dem, was bereits von Schmalenbach für die Betriebsbuchhaltung vorgeschlagen wurde (Eliminierung außerordentlicher Aufwendungen und Erträge, Ansatz kalkulatorischer Zinsen etc.) (vgl. Wurl et al., WPg 2001).
Tz. 68
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Seit Anfang der 1990er Jahre wird jedoch im deutschsprachigen Raum die lange etablierte Struktur des separaten externen und internen Rechnungswesens zunehmend hinterfragt. Angestoßen wurde die Diskussion durch die Unternehmenspraxis (vgl. Ziegler, ZfbF 1994). Vor allem große, kapitalmarktorientierte Konzerne gingen dazu über, ihr internes Rechnungswesen stärker mit dem externen zu harmonisieren (vgl. zB die Praxisberichte von Deutsche Telekom, E.ON, Henkel und Siemens in Ziegler, ZfbF 1994, Haeger 2006, Hebeler 2006, Kerkhoff/Thun, Controlling 2007). Diese Entwicklung wurde auch in der Forschung aufgegriffen und wird in der Literatur unter den häufig synonym verwendeten Begriffen Harmonisierung, Konvergenz oder Integration des Rechnungswesens diskutiert (vgl. zB Pfaff, ZfbF 1994; Coenenberg, DB 1995; Haller, Controlling ...