Dipl.-Ök. Heinz-Jürgen Klingenstein
Tz. 1
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Die Abräumung des Deckgebirges und sonstigen Abraums (stripping) ist ein unerlässlicher Teil der Arbeitsabläufe beim Bergbau über Tage (Tagebau). Am 19. Oktober 2011 hat der IASB die vom IFRS Interpretations Committee (IFRS IC) erarbeitete IFRIC Interpretation 20 Abraumbeseitigungskosten während der Produktionsphase im Tagebau (Stripping Costs in the Production Phase of a Surface Mine) herausgegeben, die für die großen, weltweit Bergbau im Tagebau betreibenden Rohstoffkonzerne von erheblicher Bedeutung ist, da sie unter Umständen zu tiefgreifenden Änderungen der bisherigen Bilanzierung führen kann.
Zielsetzung dieser Interpretation ist die Klarstellung der bilanziellen Behandlung von Ausgaben für die simultan mit der Rohstoffförderung in einem Tagebau einhergehende Beseitigung von Abraummassen. Diese Aktivitäten dienen hauptsächlich der Erlangung des Zugangs zu den davon überdeckten Rohstoffvorkommen, um sie gleichzeitig oder später auszubeuten. Zu diesem Zweck enthält die Interpretation Regeln, unter welchen Voraussetzungen die produktionsbedingte Abraumbeseitigung zum Ansatz eines Vermögenswerts führt und wie dieser Vermögenswert bei Zugang und in den Folgeperioden zu bewerten ist (IFRIC 20.7). Im Grundsatz geht es somit um die Frage der verursachungs- bzw. periodengerechten Zuordnung bestimmter laufender Produktionskosten unter Berücksichtigung ihres gegenwärtigen und künftigen Nutzens zu den in der Periode (und/oder darüber hinaus) geförderten Rohstoffen. Bis zur Verabschiedung von IFRIC 20 war die Bilanzierung solcher Aktivitäten nicht explizit in den IFRS geregelt, so dass in der internationalen Bilanzierungspraxis unterschiedliche Bilanzierungsmethoden angewendet wurden. Während einige Unternehmen der Tagebau betreibenden Rohstoffindustrie mehr oder weniger pauschale Aktivierungen solcher Kosten entweder vollständig als Herstellungskosten der Vorräte oder, soweit ein bestimmtes Normalmaß der Herstellungskosten überschritten wurde, eines besonderen Vermögenswerts (deferred stripping) vornahmen, buchten andere diese Kosten sofort in den laufenden Aufwand (vgl. KPMG, 2011, S. 1 und 4; EY, 2012, S. 50f.). Mit IFRIC 20 sollen diese vielfältigen Bilanzierungsmethoden, die die vom IASB angestrebte Vergleichbarkeit der Abschlüsse erschwerten, vereinheitlicht werden. Die Interpretation folgt dabei einem prinzipienbasierten Ansatz und enthält keine Anleitungen oder erläuternden Beispiele, was einige Auslegungsfragen aufgeworfen hat.
Der endgültigen Fassung des IFRIC 20 vorausgegangen war der Interpretations-Entwurf DI/2010/1 aus dem August 2010 als Folge einer Anfrage aus dem Juni 2009 nach Richtlinien für die bilanzielle Behandlung von Abraumbeseitigungskosten während der Produktionsphase im Tagebau. Dieser stieß jedoch in den Kommentaren von Seiten der interessierten Öffentlichkeit, insbesondere hinsichtlich der wenig operationalisierbaren Abgrenzung der sog. stripping campaign sowie der Einführung des Begriffs der routine stripping costs, wegen zu hoher Komplexität für die praktische Anwendung auf Ablehnung.