Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 10
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Der Anwendungsbereich von IFRS 9 wurde – wie bereits in Tz. 3 dargelegt – unverändert aus IAS 39 übernommen (zur Begründung vgl. IFRS 9.BC2.1). Danach ist der Standard von allen Unternehmen ungeachtet ihrer Größe, Branche oder Rechtsform anzuwenden (vgl. IFRS 9.2.1). Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nicht öffentlich rechenschaftspflichtige Unternehmen an Stelle der vollen IFRS theoretisch die spezifischen Vorschriften im IFRS für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) anwenden können (vgl. IFRS für KMU, hier die Abschnitte 11 und 12 zu Finanzinstrumenten). Da der IFRS für KMU in Europa aber nicht für die Anwendung in EU-Recht übernommen wurde, steht diese Möglichkeit einstweilen nur Unternehmen offen, die außerhalb der Europäischen Union domiziliert sind.
Tz. 11
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Dem Grunde nach erstrecken sich die Ansatz- und Bewertungsvorschriften auf sämtliche Finanzinstrumente, soweit nicht explizit etwas Gegenteiliges bestimmt ist. Der Standard besitzt damit den Charakter einer lex generalis, die immer dann greift, soweit nicht etwas Abweichendes geregelt ist. Damit ergibt sich im Umkehrschluss, dass alle explizit in IFRS 9 genannten Vertragsformen, die vom Anwendungsbereich des Standards ausgenommen werden, Finanzinstrumente iSd. Standards sind – eine Feststellung, die ua. für die Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen eine wesentliche Rolle spielen kann (vgl. dazu Tz. 14). Es sei darauf hingewiesen, dass die Anwendungsbereiche der Standards zu Finanzinstrumenten nicht deckungsgleich sind (vgl. Deloitte LLP 2018, S. 4f.; KPMG IFRG Limited 2017/18, Tz. 7A.1.20.50; PricewaterhouseCoopers LLP 2017, Tz. 40.43 ff.; Stauber 2012, S. 99ff.; für eine vergleichende Übersicht hinsichtlich gängiger Finanzinstrumente unter den vier Standards vgl. Deloitte LLP 2018, S. 5ff.). Als Daumenregel festhalten lässt sich, dass alle Finanzinstrumente, die vom Anwendungsbereich von IAS 32 ausgenommen sind, auch vom Anwendungsbereich von IFRS 9 ausgeklammert werden. Allerdings werden zusätzlich zu den Ausnahmen aus IAS 32 weitere Sachverhalte von der Anwendung der Ansatz- und Bewertungsvorschriften von IFRS 9 ausgeklammert (dazu im Einzelnen vgl. Tz. 12ff.). Dabei ist allerdings zu beachten, dass bestimmte Finanzinstrumente dem Grunde nach zwar aus dem Anwendungsbereich des Standards ausgeklammert wurden, dessen ungeachtet einzelne Aspekte aber dennoch den Vorschriften von IFRS 9 unterliegen (bspw. Fragen der Ausbuchung sowie der Wertminderungsprüfung von Leasingforderungen). Umgekehrt werden einige Sachverhalte, die formal keine Finanzinstrumente darstellen, Finanzinstrumenten gleichgestellt und in den Anwendungsbereich des Standards einbezogen. Das betrifft einige nicht finanzielle Vermögenswerte und Schulden (zB bestimmte Bestellungen und Lieferverpflichtungen).
Tz. 12
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Vom Anwendungsbereich ausgeklammert werden danach die folgenden elf Sachverhalte:
- Anteile an verbundenen und assoziierten Unternehmen sowie an Joint Ventures, die nach den Vorschriften von IFRS 10 Consolidated Financial Statements, IAS 27 Separate Financial Statements oder IAS 28 Investments in Associates and Joint Ventures bilanziert werden, sowie Derivate auf derartige Anteile, soweit sie nicht die Definition eines Eigenkapitalinstruments nach IAS 32 erfüllen (IFRS 9.2.1(a); für Ausnahmen von dieser Regel vgl. Tz. 13);
- Ansprüche und Verpflichtungen aus Leasingverhältnissen gemäß IFRS 16 Leases (IFRS 9.2.1(b); für Ausnahmen von dieser Bestimmung vgl. Tz. 14);
- Vermögenswerte und Schulden eines Arbeitgebers aus Leistungsplänen gegenüber Arbeitnehmern, auf die IAS 19 Employee Benefits anzuwenden ist (IFRS 9.2.1(c));
- vom Unternehmen emittierte Finanzinstrumente, die gemäß IAS 32 als Eigenkapitalinstrument zu klassifizieren sind (das schließt Optionen und Optionsscheine mit ein). Die Regelung gilt gleichwohl nur für den Emittenten und nicht für den Rechteinhaber (vgl. IFRS 9.2.1(d); zur Abgrenzung von Eigenkapitalinstrumenten nach IFRS vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 32, Tz. 27ff.);
- Ansprüche und Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen in der Definition von IFRS 4 Insurance Contracts (vgl. Tz. 15). Darunter fallen auch Finanzinstrumente, die ermessensabhängige Überschussbeteiligungen aufweisen und deshalb im Anwendungsbereich von IFRS 4 liegen (vgl. Tz. 16). Dessen ungeachtet fallen in Versicherungsverträge eingebettete und nach IFRS 9 trennungspflichtige Derivate in den Anwendungsbereich von IFRS 9, soweit sie nicht selbst als Versicherungsvertrag einzustufen sind. Darüber hinaus fallen jene Finanzgarantien in den Anwendungsbereich des Standards, bei denen das Unternehmen für eine Bilanzierung dieser Verträge nach IFRS 9 optiert (vgl. IFRS 9.2.1(e) iVm. BC2.17, vgl. Tz. 17);
- Termingeschäfte über den Kauf oder Verkauf eines Unternehmens, das in der Zukunft zu einem Unternehmenszusammenschluss führen wird. Dabei darf die Laufzeit des Termingeschäfts den Zeitraum nicht überschreiten, der...