Clemens Jungsthöfel, Katharina Rohde
Tz. 13
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Hinsichtlich der Frage, für welche Verträge der Standard einschlägig ist, spezifiziert IFRS 17.3:
1) |
Versicherungsverträge (= direktes Geschäft); |
2) |
übernommene Rückversicherungsverträge (= indirektes Geschäft oder auch "aktive" Rückversicherung); |
3) |
begebene Rückversicherungsverträge ("passive" Rückversicherung, einschließlich Retrozessionen); |
4) |
Kapitalanlageverträge mit ermessensabhängiger Überschussbeteiligung (vorausgesetzt, das Unternehmen begibt auch Versicherungsverträge) |
(IFRS 17.3; vgl. Weinberg in Kronthaler et al. 2020, S. 1).
Die Regelungen sind also grundsätzlich auf sämtliche von einem Unternehmen ausgegebenen Verträge anzuwenden, die die Definition eines Versicherungsvertrags erfüllen. Dieser Definition kommt somit wesentliche Bedeutung zu (ausführlich hierzu vgl. Tz. 23).
Tz. 14
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Die Hauptadressaten des IFRS 17 sind ohne Zweifel die Versicherungsunternehmen, allerdings handelt es sich, entgegen der weit verbreiteten Auffassung und im Gegensatz zur Versicherungsbilanzierung nach HGB, nicht um einen reinen Branchenstandard für Versicherungsunternehmen. Vielmehr handelt es sich um produktbezogene und branchenübergreifende Regelungen, sodass auch Nicht-Versicherungsunternehmen in den Anwendungsbereich fallen, sofern sie Verträge ausgeben, die die Definition eines Versicherungsvertrags erfüllen (vgl. Lüdenbach et al., 2018, Rn. 3; vgl. EY 03/2018, S. 29). Damit gelten die Regelungen des IFRS 17 nur für den Versicherungsgeber und nicht für den Versicherungsnehmer (Kunden), es sei denn, es handelt sich um übernommene (aktive) Rückversicherungsverträge.
Tz. 15
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Allerdings schließt IFRS 17 auch eine Reihe von Sachverhalten aus seinem Anwendungsbereich aus, selbst wenn diese die Definition eines Versicherungsvertrags erfüllen (IFRS 17.7). Beispiele für diese Ausnahmen sind
- Wetterderivate (IFRS 17.B27 (g)) und Katastrophenbonds (IFRS 17.B27 (h)), die nach den Vorschriften des IFRS 9 zu bilanzieren sind (IFRS 9.B2.1; vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 9, Tz. 15);
- Garantien, die ein Hersteller, Groß- oder Einzelhändler einem Kunden in Verbindung mit dem Verkauf seiner Waren oder Dienstleistungen gewährt (IFRS 15, Erlöse aus Verträgen mit Kunden);
- vom Hersteller, Groß- oder Einzelhändler gewährte Restwertgarantien und Restwertgarantien eines Leasingnehmers, wenn sie Teil eines Leasingverhältnisses sind (vgl. IFRS 15 und IFRS 16);
- finanzielle Garantien, es sei denn, der Garantiegeber hat zuvor ausdrücklich erklärt, dass er solche Verträge als Versicherungsverträge betrachtet und die auf Versicherungsverträge anwendbaren Rechnungslegungsmethoden angewandt hat. Der Garantiegeber muss wählen, ob er auf derartige finanzielle Garantien entweder IFRS 17 oder IFRS 7 (Finanzinstrumente: Angaben) und IFRS 9 (Finanzinstrumente) anwendet. Der Garantiegeber kann das Wahlrecht für jeden Vertrag einzeln ausüben, aber das ausgeübte Wahlrecht ist unwiderruflich;
- vertragliche Anrechte oder vertragliche Verpflichtungen, die von der künftigen Nutzung oder vom künftigen Recht auf Nutzung eines nichtfinanziellen Postens abhängen (zB bestimmte Lizenzgebühren, Nutzungsentgelte, variable und andere bedingte Leasingzahlungen und ähnliche Posten: IFRS 15 (Erlöse aus Verträgen mit Kunden), IAS 38 (Immaterielle Vermögenswerte) und IFRS 16 (Leasingverhältnisse));
- Kreditkartenverträge oder ähnliche Verträge, die Kredit- oder Zahlungsvereinbarungen enthalten, die die Definition eines Versicherungsvertrags erfüllen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Unternehmen bei der Bepreisung des Vertrags mit einem bestimmten Kunden keine Bewertung des mit diesem individuellen Kunden verbundenen Versicherungsrisikos vornimmt (vgl. IFRS 9 und andere geltende IFRS). Wenn ein Unternehmen allerdings nach IFRS 9 eine in einem solchen Vertrag enthaltene Versicherungsdeckungskomponente abzutrennen hat, muss es auf diese Komponente IFRS 17 anwenden.
Tz. 16
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Des Weiteren wird der Anwendungsbereich durch einige Wahlrechte bezüglich solcher Verträge erweitert, bei denen zwar definitionsgemäß ein Versicherungsvertrag vorliegt, der jedoch nicht zwingend nach IFRS 17 bilanziert werden muss. Beispiele hierfür sind bestimmte Kreditversicherungsverträge sowie Dienstleistungsverträge gegen eine feste Gebühr (IFRS 17.7 (e), IFRS 17.8; vgl. im Einzelnen Weinberg in Kronthaler et al. 2020, S. 2).
Tz. 17
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Ein Versicherungsvertrag kann eine oder mehrere Komponenten beinhalten, die, wären sie getrennte Verträge, in den Anwendungsbereich eines anderen Standards fallen. So kann ein Versicherungsvertrag beispielsweise eine Kapitalanlagekomponente und/oder eine Komponente für andere Dienstleistungen als die Leistungen gemäß dem Versicherungsvertrag beinhalten. Die Bestimmung und die Bilanzierung solcher Komponenten des Vertrags erfolgt nach IFRS 17.11–13, ua.:
- Entscheidung unter Anwendung von IFRS 9, ob ein getrennt zu bilanzierendes eingebettetes Derivat vorli...