Thomas Harzheim, Patrick Thoma
Tz. 92
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Ermessensbehaftet sein kann die Abgrenzung der Cashflows im Bereich der Investitionstätigkeit und der Finanzierungstätigkeit, wenn langfristige Vermögenswerte auf Ziel oder unter Vereinbarung von Ratenzahlungen oder dergleichen (deferred consideration) erworben werden. Für diese Fälle gibt der Standard explizit keine Regelung vor, die eine Abgrenzung in allen Fällen erlaubt. Es kann die Sichtweise vertreten werden, dass die Zahlungsmittelabflüsse nicht die Definitionskriterien eines Cashflows aus Investitionstätigkeit erfüllen, da diese nicht die Erfassung eines Vermögenswerts, sondern die Begleichung einer finanziellen Verbindlichkeit implizieren. Demzufolge ist Ermessen auszuüben, ob sich die Zahlung auf den Erwerb eines Vermögenswerts oder auf die Rückzahlung einer Verbindlichkeit bezieht. Für diese Beurteilung ist nach der hier vertretenen Auffassung, analog zu den Regelungen in FASB ASC Topic 230, auf den Zeitraum zwischen Erwerb des Vermögenswerts und Zahlung der entsprechenden Gegenleistung abzustellen. Wenn dieser Zeitraum nicht signifikant ist, sollten die eingeräumten Zahlungs- bzw. Kreditbedingungen nicht derart ausgelegt werden, dass diese einen investiven Zahlungsvorgang in eine Finanzierungstätigkeit umklassifizieren. Sollte der Zeitraum zwischen Erwerb und Zahlung hingegen signifikant sein, kann der wirtschaftliche Gehalt der Transaktion darin bestehen, dem Erwerber eine Finanzierung bereitzustellen. In diesem Fall wären die Zahlungen, trotz Auszahlungen für die Beschaffung langfristiger Vermögenswerte (IAS 7.16 (a)), der Finanzierungstätigkeit zuzuordnen. Zur Beurteilung, ob ein signifikantes Finanzierungselement vorliegt, können die in IFRS 15.60ff. normierten Regelungen zum Vorliegen einer signifikanten Finanzierungskomponente herangezogen werden.(vgl. EY International GAAP 2022, Chapter 35.5.4.1).
Tz. 92a
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Ein Kundenvertrag, der eine signifikante Finanzierungskomponente enthält, umfasst theoretisch eine Umsatz- und eine Finanzierungskomponente (IFRS 15.BC229). Bei Vorliegen einer aufgeschobenen Vergütung ergeben sich demzufolge auch zwei verschiedene Zahlungskomponenten. Während die aus der Umsatzkomponente resultierende Zahlungsströme der betrieblichen Tätigkeit zuzuordnen sind, sind die Zahlungsströme im Zusammenhang mit der Finanzierungskomponente gemäß dem nach IAS 7.33 ausgeübten Wahlrecht für gezahlte Zinsen der betrieblichen Tätigkeit oder der Finanzierungstätigkeit zuzuordnen. Im Falle einer Vorauszahlung des Kunden hingegen stellt der Gesamtbetrag aus der Zahlung des Kunden und den angesammelten Zinsen Umsatzerlöse dar, weshalb auch nur eine Zahlungskomponente vorliegt, die der betrieblichen Tätigkeit zuzuordnen ist. (vgl. EY International GAAP 2022, Chapter 35.5.4.3).
Tz. 93
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Von diesen Fällen der hinausgeschobenen oder gestundeten Vergütung (deferred consideration) zu unterscheiden sind die Fälle einer nachträglichen Anpassung der Vergütung bei Vereinbarung von bedingten Gegenleistungen (contingent consideration), etwa im Falle eines Unternehmenserwerbes (vgl. IFRS 3.39f.).
Tz. 94
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Während bei der zuletzt genannten Fallgruppe die von den Vertragsparteien gewollte Ermittlung des finalen Kaufpreises/der finalen Vergütung erst in der Zukunft mit Eintritt eines ungewissen Ereignisses möglich ist, steht die letztlich zu zahlende Vergütung in Fällen der hinausgeschobenen oder gestundeten Vergütung bereits bei Vertragsschluss fest. Es wird lediglich der Fälligkeitszeitpunkt der Zahlungen in die Zukunft verschoben. Aus diesem Grunde aber hat die nachträgliche Anpassung des Kaufpreises/der Vergütung regelmäßig keinen Finanzierungscharakter, sondern dient einzig und allein der Anschaffung eines Vermögenswertes oder eines Unternehmens. Dementsprechend führt die nachträgliche Anpassung des Kaufpreises/der Vergütung im Grundsatz auch zu Ein- bzw. Auszahlungen im Bereich der Investitions- und nicht der Finanzierungstätigkeit. Zahlungen, die nicht der Investitionstätigkeit zurechenbar sind, sind aufgrund der in IAS 7.6 verankerten Negativabgrenzung der betrieblichen Tätigkeit grundsätzlich als betrieblich veranlasste Zahlung einzustufen.
Tz. 95
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass gemäß IAS 7.16 nur Ausgaben, die zum Ansatz eines Vermögenswertes in der Bilanz führen, als Cashflows aus Investitionstätigkeit ausgewiesen werden dürfen (vgl. Tz. 43). Dementsprechend können auch Auszahlungen für bedingte Gegenleistungen nur zu Cashflows im Rahmen der Investitionstätigkeit führen, als diese sich im Ansatz eines Vermögenswertes niedergeschlagen haben. Ist dies nicht der Fall, wie beispielsweise bei einem nachträglichen Anstieg des beizulegenden Zeitwertes einer bedingten Gegenleistung für einen Unternehmenserwerb (vgl. IFRS 3.58), liegt in der Regel nur in Höhe des im Erwerbszeitpunktes über den erhöhten Geschäfts- oder Firmenwert aktivierten Betrages der bedingten Geg...