Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
1. Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses durch Aufstellung eines Konzernabschlusses von einem übergeordneten Mutterunternehmen
Tz. 180
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Nach IFRS 10.4 knüpft die Konzernrechnungslegungspflicht nach IFRS an das Vorliegen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses an. Im mehrstufigen Konzern ist daher grds. jedes Mutterunternehmen auf jeder Stufe zur Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses verpflichtet (Tannenbaumprinzip). Im Falle eines mehrstufigen Unterordnungskonzerns wäre demzufolge auf jeder Stufe ein Konzernabschluss zu erstellen. Diese grundsätzliche Pflicht zur Konzernrechnungslegung wird durch IFRS 10.4 für ein zwischengeschaltetes Mutterunternehmen aufgehoben, wenn alle Voraussetzungen des IFRS 10.4 (a) kumulativ erfüllt sind:
1) |
Das Mutterunternehmen ist selbst ein Tochterunternehmen, wobei alle Anteilseigner informiert wurden und keine Einwände gegen die Nichterstellung eines Konzernabschlusses haben; |
2) |
die Eigen- und Fremdkapitalinstrumente des Mutterunternehmens werden nicht öffentlich gehandelt; |
3) |
das Mutterunternehmen legt seine Abschlüsse nicht bei einer Wertpapieraufsichtsbehörde oder anderen Regulierungsbehörde zum Zweck der Emission von Finanzinstrumenten jeglicher Klasse an einem öffentlichen Markt vor; und |
4) |
das oberste oder ein zwischengeschaltetes Mutterunternehmen veröffentlicht einen IFRS- Konzernabschluss. |
Tz. 181
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Diese Befreiungsregelung ist explizit auf Wirtschaftlichkeitsüberlegungen gestützt: Der Konzernabschluss eines Mutterunternehmens, das selbst vollständig oder teilweise im Besitz eines übergeordneten Mutterunternehmens steht, wird neben den entsprechenden Einzelabschlüssen idR vom übergeordneten Mutterunternehmen nicht benötigt (auch: fehlende Informationsfunktion des Teilkonzernabschlusses). Ferner werden die Erfordernisse der übrigen Adressaten am besten durch den Konzernabschluss des übergeordneten Mutterunternehmens berücksichtigt.
Tz. 182
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
IFRS 10 verlangt, dass der Konzernabschluss des Mutterunternehmens veröffentlicht wird (IFRS 10.4 (a)(iv)). Hierzu reicht es aus, dass im Abschluss des berichterstattenden Unternehmens angegeben wird (zB durch eine Internetadresse oder Kontaktdaten), wo der Konzernabschluss des übergeordneten Mutterunternehmens bezogen werden kann. Durch Investment Entities: Applying the Consolidation Exception (Amendments to IFRS 10, IFRS 12 and IAS 28) wurde zudem in Bezug auf das Kriterium des IFRS 10.4 (a)(iv) klargestellt, dass die Befreiung von der Erstellung eines Konzernabschlusses auch für Tochterunternehmen einer Investmentgesellschaft gilt, und zwar selbst dann, wenn dieses Tochterunternehmen zum beizulegenden Zeitwert in den Konzernabschluss der Investmentmuttergesellschaft einbezogen werden.
Tz. 183
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Wenn das zu befreiende Mutterunternehmen nicht vollständig im Besitz eines übergeordneten Mutterunternehmens steht, verlangt IFRS 10.4 (a)(i), dass die anderen Eigentümer, einschließlich nicht stimmberechtigter Eigentümer, darüber unterrichtet werden, dass das Mutterunternehmen keinen Konzernabschluss aufstellen will. Nur wenn die Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss keine Einwendungen gegen den Verzicht auf die Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses haben, darf das Teilkonzernmutterunternehmen auf die Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses verzichten. Auch in den Fällen, in denen dem übergeordneten Mutterunternehmen nicht 100 % der Anteile am zu befreienden Mutterunternehmen gehören, ist demnach grundsätzlich kein Teilkonzernabschluss aufzustellen, es sei denn, die Gesellschafter des Teilkonzernmutterunternehmens ohne beherrschenden Einfluss erheben ausdrücklich Einspruch. Diese Anteilseigner ohne beherrschenden Einfluss sind darüber zu jedem Stichtag mit entsprechender Fristsetzung für den möglichen Einspruch zu informieren, damit Rechtsstreitigkeiten vermieden werden (vgl. Watrin/Hoehne/Lammert, in: MünchKommBilR, Bd. 1, IAS 27, Tz. 85). IAS 27 (rev. 2000) verlangte dagegen noch die Zustimmung der Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss als Voraussetzung für einen befreienden Konzernabschluss. Hintergrund dieser Änderung ist, dass es in der Praxis äußerst schwierig ist, die Zustimmung aller Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss zum befreienden Konzernabschluss zu erlangen (IFRS 10.BCZ17).
Tz. 184
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
In IFRS 10.4 (a)(iv) wird verlangt, dass der befreiende Konzernabschluss nach den gleichen Regeln aufgestellt wird, dh. IFRS-konform ist. Dies ergibt sich auch aus dem Anspruch der IFRS auf internationale Geltung. Ein befreiender Konzernabschluss kann von jedem Unternehmen, unabhängig von Rechtsform, Sitz und Größe, aufgestellt werden.
Tz. 185
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Zum öffentlichen Handel (public market) gehören gem. IFRS 10.4 (a)(ii) inländische und ausländische Wertpapierbörsen sowie der Freiverkehr, einschließlich lokaler oder regionaler Handelsplätze. Unklar ist, ob hierzu nur Märkte gehören, an denen durch regelmäßige Transaktionen Preise vorliegen oder auch Märkte, bei denen nur gelegentlich gehandelt wird und damit keine ...