Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Isabel von Keitz
Tz. 41
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Für die Beurteilung, ob die Ausgaben für einen separat angeschafften immateriellen Vermögenswert aktivierungspflichtig sind, sind die allgemeinen Ansatzvorschriften heranzuziehen. Sind die drei Kriterien "Vorliegen eines immateriellen Vermögenswertes iSd. IAS 38.8" (vgl. Tz. 45), "Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses" (vgl. Tz. 42) und "zuverlässige Messbarkeit" (vgl. Tz. 43f.) kumulativ erfüllt, sind die Ausgaben für separat angeschaffte immaterielle Vermögenswerte aktivierungspflichtig. Ist nur eines der drei Kriterien nicht erfüllt, besteht ein Aktivierungsverbot.
Tz. 42
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Bezüglich der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses (zweites Ansatzkriterium) weist der IASB ausdrücklich darauf hin, dass begründbare und angemessene Annahmen herangezogen werden müssen, die die beste Schätzung des Managements hinsichtlich der künftigen Umweltbedingungen widerspiegeln (IAS 38.22). Bei der Beurteilung der Sicherheit des künftigen Nutzenzuflusses sollte gem. IAS 38.23 größeres Gewicht auf externe als auf interne Hinweise gelegt werden. Der Preis für den gesonderten Erwerb eines immateriellen Vermögenswertes ist ein externer Hinweis. Die Tatsache, dass das Unternehmen bereit ist, einen bestimmten Betrag zu zahlen, deutet darauf hin, dass das Unternehmen einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen zumindest in dieser Höhe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwartet. Vor diesem Hintergrund sieht der IASB für separat erworbene immaterielle Vermögenswerte das zweite Ansatzkriterium stets als erfüllt an (always considered to be satisfied) (IAS 38.25 iVm. IAS 38.BC27).
Tz. 43
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Mit Blick auf den Wortlaut des IAS 38.26 wird deutlich, dass – anders als das Kriterium "Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses" – das Kriterium "zuverlässige Messbarkeit" bei einem separat erworbenen immateriellen Vermögenswert nicht zwingend erfüllt ist (can usually be measured reliably) (IAS 38.26 iVm. IAS 38.BC28 sowie Kühle/Thiele, in: Internationales Bilanzrecht, IAS 38, Tz. 191). Gleichwohl können die berichterstattenden Unternehmen dieses Kriterium bei separat erworbenen immateriellen Vermögenswerten mit dem gezahlten Kaufpreis idR nachweisen. Dies gilt vor allem dann, wenn als Gegenleistung Zahlungsmittel oder andere monetäre Vermögenswerte vereinbart wurden (IAS 38.26 iVm. IAS 38.BC28).
Tz. 44
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Neben dem Erwerb eines immateriellen Vermögenswertes gegen ein Zahlungsmittel oder andere monetäre Vermögenswerte sind unter die Zugangsart "separate Anschaffung" auch Tauschvorgänge zu fassen. Diese grenzen sich von einem (rein) entgeltlichen Erwerb insofern ab, als der Kaufpreis nicht (ausschließlich) in Zahlungsmitteln oder anderen monetären Vermögenswerten entrichtet wird (vgl. ADS Int, Abschnitt 8, Tz. 167). Als Gegenleistung für den Erwerb eines immateriellen Vermögenswertes mittels Tausch kommt die Hingabe von nicht monetären Vermögenswerten (zB immaterielle Vermögenswerte, Sachanlagen etc.) in Betracht. Auch die Erbringung einer Dienstleistung ist als Gegenleistung grundsätzlich denkbar.
Bei Tauschvorgängen ist es mitunter schwieriger die Anschaffungskosten zuverlässig zu ermitteln, als wenn der immaterielle Vermögenswert entgeltlich erworben wird. Erster Anknüpfungspunkt für die Zugangsbewertung des durch Tausch erworbenen immateriellen Vermögenswertes ist der beizulegende Zeitwert des erhaltenen oder – sofern dieser verlässlicher ermittelbar ist – des hingegebenen Vermögenswertes (IAS 38.45; ausführlich zu Tauschgeschäften vgl. Tz. 95–100). Der IASB hat in den Erläuterungen zu den Ansatz- und Bewertungsvorschriften für Tauschgeschäfte ausgeführt, dass der beizulegende Zeitwert eines immateriellen Vermögenswertes dann verlässlich ermittelbar ist, wenn gem. IAS 38.47
- die Schwankungsbandbreite der vernünftigen Schätzungen des beizulegenden Zeitwertes für diesen Vermögenswert nicht signifikant ist oder
- die Eintrittswahrscheinlichkeiten der verschiedenen Schätzungen innerhalb dieser Bandbreite vernünftig geschätzt und bei der Schätzung des beizulegenden Zeitwertes verwendet werden können.
Aber auch wenn der beizulegende Zeitwert zum Tauschzeitpunkt nicht verlässlich bestimmt werden kann (zur Problematik der Bestimmung des beizulegenden Zeitwertes bei Tauschgeschäften gem. IAS 38.47 vgl. Tz. 95–100), wird das Kriterium der zuverlässigen Messbarkeit idR erfüllt. Gem. IAS 38.45 bildet dann nämlich der Buchwert des hingegebenen Vermögenswertes die Anschaffungskosten. Da dieser Buchwert regelmäßig dem bilanzierenden Unternehmen bekannt ist, ist grundsätzlich auch die zuverlässige Messbarkeit möglich. Entsprechend dieser Regelungssystematik kann der Ansatz eines durch Tausch zugegangenen immateriellen Vermögenswertes nur dann unterbleiben, wenn weder der beizulegende Zeitwert des hingegebenen noch des erhaltenen (immateriellen) Gutes zuverlässig bestimmt werden kann und das hingegebene Gut zuvor vom berichterstattenden Unternehmen nicht bil...