Prof. Dr. Corinna Ewelt-Knauer, Dr. Julian Höbener
Tz. 3
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Der am 13.01.2016 veröffentlichte und am 31.10.2017 mit Veröffentlichung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1986 in europäisches Recht übernommene (endorsement) Leasingstandard IFRS 16 ist erstmals verpflichtend anzuwenden auf Berichtsperioden, die am oder nach dem 01.01.2019 beginnen (IFRS 16.C1). Die Regelungen des IFRS 16 dürfen freiwillig vorzeitig angewendet werden, falls die neuen Regelungen zur Erfassung von Umsatzerlösen aus Kundenverträgen nach IFRS 15 ebenfalls vorzeitig Anwendung finden (IFRS 16.C1). IFRS 15 ist verpflichtend auf Berichtsperioden anzuwenden, die am oder nach dem 01.01.2018 beginnen. Die Anwendung von IFRS 16 mit der Anwendung von IFRS 15 zu verknüpfen ist insbesondere mit Blick auf den Leasinggeber, der Umsatzerlöse aus dem Leasingverhältnis erfasst, sinnvoll und äußerst empfehlenswert. Eine vorzeitige Anwendung muss im Anhang angegeben werden (IFRS 16.C1).
Tz. 4
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Um die Kosten für den Übergang von IAS 17 auf IFRS 16 vertretbar zu halten, gewähren die Regelungen von IFRS 16 als praktische Ausnahme (practical expedient) optionalen Bestandsschutz (sog. grandfathering) für bestehende Leasingverträge (Altverträge), die bereits nach den Vorgaben von IAS 17 iVm. IFRIC 4 beurteilt wurden. Konkret muss erstens für bestehende Verträge nicht erneut geprüft werden, ob ein Leasingverhältnis nunmehr nach IFRS 16 besteht, sondern die Einschätzungen – basierend auf den alten Regelungen von IAS 17 iVm. IFRIC 4 – können beibehalten werden. Für diese Altverträge sind dann die Übergangsregelungen in IFRS 16.C5–C18 anzuwenden (IFRS 16.C3 (a)). Zweitens müssen die Vorgaben nach IFRS 16 nicht auf solche Verträge angewendet werden, die nach IAS 17 iVm. IFRIC 4 nicht als Leasingverhältnis identifiziert wurden (IFRS 16.C3 (b)). Entscheidet sich ein Unternehmen für die Anwendung dieser Ausnahmeregelung des IFRS 16.C3, ist sie mit Blick auf eine sachliche Stetigkeit auf sämtliche Altverträge anzuwenden (IFRS 16.C4), eine selektive Anwendung von IFRS 16.C3 ist also nicht zulässig (vgl. auch Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 17. Aufl., § 15a, Tz. 354). Macht das Unternehmen Gebrauch von der Ausnahmeregelung, ist darüber im Anhang zu berichten (IFRS 16.C4).
Für Leasingnehmer ist zu beachten, dass eine Erstanwendung von IFRS 16 – unbeschadet der Ausnahmeregelung des IFRS 16.C3 zur Identifizierung der Leasingverhältnisse – retrospektiv zu erfolgen hat, wobei IFRS 16.C5 Leasingnehmern ein Wahlrecht zwischen
- einer vollständig retrospektiven Erstanwendung gem. IAS 8 (Möglichkeit 1) und
- einer modifizierten retrospektiven Erstanwendung gem. IFRS 16.C7-C13 (Möglichkeit 2) einräumt.
Die Wahl der Methode ist einheitlich auszuüben (IFRS 16.C6; vgl. zum Umgang mit diesem Wahlrecht in der Praxis Freiberg/Schunk/Schubert, WPg 2020, S. 21). Entscheidet sich der Leasingnehmer für Möglichkeit 1, führt er also eine vollständig retrospektive Erstanwendung durch, ist die Bilanz so aufzustellen, als ob die Vorschriften des IFRS 16 schon immer angewendet worden wären (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 17. Aufl., § 15a, Tz. 356; vgl. ausführlich zur Vorgehensweise nach IAS 8 IFRS-Komm., Teil B, IAS 8, Tz. 95ff.). Dies impliziert, dass alle Umstellungseffekte vollständig in der dargestellten Vergleichsperiode zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu und zum Folgenden Eckl et al., DB 2016, S. 666). Erfolgt also eine Umstellung zum 01.01.2019, so muss die Eröffnungsbilanz zum 01.01.2018 die entsprechenden Anpassungen bereits enthalten. Resultieren aus dieser rückwirkenden Anpassung wesentliche Änderungen, so muss eine sog. "dritte Bilanz" mit Verweis auf IAS 1.10 (f) iVm. IAS 1.40A aufgestellt werden.
Entscheidet sich der Leasingnehmer hingegen für eine modifizierte retrospektive Erstanwendung, muss die Vergleichsperiode nicht angepasst werden. Konkret muss der Leasingnehmer gem. IFRS 16.C7 die Gewinnrücklagen in der Eröffnungsbilanz zum Erstanwendungszeitpunkt entsprechend dem Effekt aus der erstmaligen Anwendung des IFRS 16 anpassen. Folglich kann es per definitionem nicht zu einer "dritten Bilanz" kommen (so auch Eckl et al., DB 2016, S. 666), wenngleich die Angabepflichten nach IFRS 16.C12 zu beachten sind. So sind bspw. die Unterschiede zwischen den bislang nach IAS 17 im Anhang erläuterten Leasingverpflichtungen und den nunmehr nach IFRS 16 bilanzwirksam erfassten Leasingverbindlichkeiten darzulegen (IFRS 16.C12 (b); vgl. die Möglichkeit zu dieser erleichterten retrospektiven Erstanwendung positiv beurteilend Berger/Nardmann, BB 2016, S. 427f.; vgl. auch ausführlich zur Vorgehensweise Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 17. Aufl., § 15a, Tz. 357–364). Insgesamt dürfte zu erwarten sein, dass die meisten Unternehmen – nicht zuletzt mit Blick auf fehlende historische Informationen – die modifizierte retrospektive Erstanwendung durchführen werden, auch wenn eine vollständig retrospektive Erstanwendung mit Blick auf die historisch tendenziel...