Dipl.-Ök. Heinz-Jürgen Klingenstein
Tz. 22
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Schon kurz nach Verabschiedung der Interpretation gab es einzelne kritische Stimmen, denen es zB fraglich erschien, ob die beiden mit der Abraumbeseitigung erzielten Nutzenelemente in der Praxis eindeutig separierbar sind (vgl. Schmidt/Schreiber, BB 2012, S. 2363). Die in der Interpretation vorgeschlagenen produktionsbezogenen Maßstäbe oder Relationen zur Aufteilung der Kosten bleiben zwangsläufig stark ermessensbehaftet, so dass eine einheitliche Bilanzierungspraxis erwartungsgemäß nicht gesichert erscheint (vgl. Schmidt/Schreiber, BB 2012, S. 2364 und Schellhorn/Hesse/Springsguth, 2013, S. 244f). Bemerkenswert ist auch, dass das IFRIC mit seiner Interpretation einzelne Detailfragen der Rohstoffindustrie immer noch nur stückwerkartig gelöst hat. Dagegen hatte der IASB selbst in 2010 grundsätzlich das Erfordernis zu einer umfassenden Einbeziehung dieses Industriezweigs in das Regelwerk der IFRS gesehen, nachdem er (als Übergangsregelung) den IFRS 6 mit nur einem beschränkten sachlichen Anwendungsbereich erlassen hatte. Das Projekt "Extractive Activities" war jedoch in 2012 wegen herabgestufter Priorität ausgesetzt worden. Aktuell plant der IASB, die Arbeiten an der angestrebten Gesamtlösung für die Rohstoffindustrie zunächst im Rahmen eines neuen Research Projects wieder aufzunehmen.
Tz. 23
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Darüber hinaus werden in der deutschen Fachliteratur vor dem Hintergrund der öffentlichen Stellungnahmen zum damaligen Entwurf verschiedene konzeptionelle Schwächen bemängelt, wie zB die für den Anwendungsbereich subjektive Trennung von Entwicklungs- und Produktionsphase, die Festlegung auf ein non-current asset bei fehlender Regelung für ein current asset iZm. dem besonderen Ansatzkriterium der Identifizierbarkeit des spezifischen Teils des ore body, zu dem ein verbesserter Zugang erreicht wurde, oder das unter bestimmten Umständen zu Inkonsistenzen führende Wahlrecht, das stripping activity asset in Abhängigkeit vom zugehörigen Vermögenswert als materiell gem. IAS 16 oder immateriell gem. IAS 38 zu klassifizieren (vgl. Schellhorn/Hesse/Springsguth, S. 246ff). Weiterhin wird bezweifelt, ob zB ein Konglomerat aus regelmäßig erworbenen Abbaurechten und aktivierten Abraumkosten zu glaubwürdigen und verständlichen Informationen für den Bilanzleser beitragen kann. Um die mit IFRIC 20 angestrebten Ziele einer verbesserten Vergleichbarkeit, Nachprüfbarkeit und Verständlichkeit bei gleichzeitiger Verringerung bilanzpolitischer Spielräume zu erreichen, wird zB vorgeschlagen, auf das zweite Ansatzkriterium gänzlich zu verzichten und widerlegbar (bei auch interner Überwachung iSd. management approach) zu vermuten, dass alle Abraumkosten nutzenbringend für das gesamte Rohstoffvorkommen sind. Was die Unterscheidung von Fristigkeiten betrifft, wird – wie oben (vgl. Tz. 6–10) schon ausführlich aus den geltenden IFRS-Vorschriften hergeleitet – in Anlehnung an die bewährte HGB-Bilanzierungspraxis eine Dreiteilung der Abraumkosten in
- ein non-current pre-production stripping activity asset,
- ein non-current production stripping activity asset und
- ein current production stripping activity asset
vorgeschlagen, mit der die Adressaten aufgrund klarer Abgrenzungskriterien relevante Informationen erhielten (vgl. Schellhorn/Hesse/Springsguth, S. 251) Auf das jeweilige non-current asset sollte dann nur die alleinige Anwendung von IAS 16 zugelassen werden und es sollte – schon wegen seiner vermutlichen Größenordnung – separat als eigener Vermögenswert dargestellt werden. Schließlich wäre es auch geboten, die zu veröffentlichenden Anhangangaben in IFRIC 20 selbst stärker zu normieren (vgl. Schellhorn/Hesse/Springsguth, S. 253), um damit zu einer entscheidungsnützlicheren Berichterstattung über durchgeführte Abraumaktivitäten beizutragen.