Prof. Dr. Isabel von Keitz, Prof. Dr. Peter Wollmert
Tz. 125
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Ansatz und Bewertung einer Rückstellung sind an jedem Bilanzstichtag zu überprüfen (IAS 37.59). Infolgedessen kann der Zugangswert einer Rückstellung in einer nachfolgenden Berichtsperiode sowohl über- als auch unterschritten werden; das Anschaffungswertprinzip, nach dem ein im Vergleich zur Zugangsbewertung niedrigerer Wertansatz einer Schuld unzulässig ist, ist bei der Rückstellungsbewertung nach IAS 37 nicht zu beachten. Änderungen in der Bewertung von Rückstellungen infolge der periodischen Überprüfung sind als Änderungen von Schätzungen (changes in accounting estimates), nicht als Fehler (errors) im Sinne von IAS 8 zu behandeln mit der Folge, dass die Vorperiode nicht angepasst (restated) werden muss (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 8, Tz. 26).
Sollte der Fall eintreten, dass die Höhe der Rückstellung aufgrund neuer Erkenntnisse den Erfüllungsbetrag voraussichtlich nicht mehr abdeckt, handelt es sich nicht mehr um die bestmögliche Schätzung. Der Betrag der Zuführung zur Rückstellung ist erfolgswirksam zu erfassen. Ausnahmen hiervon betreffen Rückstellungen, die unter IFRIC 1 fallen (Entsorgung, Wiederherstellung und ähnliche Verpflichtungen). Zudem kann eine erfolgsneutrale Erfassung von Anpassungen zB im Nachgang eines Unternehmenszusammenschlusses (IFRS 3) geboten sein (Schrimpf-Dörges, in: Beck IFRS-Handbuch, § 12, Tz. 84).
Wurde eine Rückstellung bisher unterlassen, ist diese ab dem Zeitpunkt nachzuholen, ab dem einerseits die Unterlassung erkannt wurde sowie andererseits die notwendigen Ansatzvoraussetzungen erfüllt sind. Die Erfassung der gebildeten Rückstellung hat erfolgswirksam in der Periode zu erfolgen, in der die Unterlassung erkannt wurde. Ausnahmen hiervon bilden Rückstellungen, die unter IFRIC 1 fallen oder Fehler iSv. IAS 8.41 ff, was eine Anpassung der Vorjahreszahlen und ggf. die Aufnahme einer dritten Bilanz zu Beginn der Vorjahresperiode nach sich zieht (Schrimpf-Dörges, in: Beck IFRS-Handbuch, § 12, Tz. 88). Ist der Rückstellungsgrund aufgrund eines Ereignisses nach dem Unternehmenserwerb entfallen, so ist die Auflösung erfolgswirksam zu erfassen.
Tz. 126
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Die Formulierung im Exposure Draft (E 59.42): "Provisions should be reviewed regularly" wurde im endgültigen Standard zugunsten der Formulierung: "Provisions shall be reviewed at the end of the reporting period" (IAS 37.59) aufgegeben. Damit wurden Zweifel, ob die Bewertung einer Rückstellung auch zum Stichtag eines jeden Zwischenberichts (IAS 34) zu überprüfen ist, beseitigt; dies entspricht im Übrigen auch dem Regelungsgedanken in IAS 34.32.
Tz. 127
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
IFRIC 1 behandelt das Problem der Bewertungsänderung von Rückstellungen für Entsorgungs-, Wiederherstellungs- und ähnliche Verpflichtungen aufgrund von Änderungen des Erfüllungsbetrags der Änderung des Abzinsungssatzes (vgl. Tz. 128) oder der Aufzinsung (unwinding of the discount, vgl. Tz. 129; ausführlich zu IFRIC 1 Klaholz, 2005, S. 176ff.; Kümpel, DStR 2004, S. 1227ff.; Zülch/Willms, DB 2005, S. 1178ff.). IFRIC 1 unterscheidet dahingehend, ob der dem Sachanlagevermögen zuzurechnende Vermögenswert, mit dem die Rückstellung in Zusammenhang steht (vgl. IAS 16.16 (c); vgl. Tz. 122 f.), nach dem Anschaffungskosten- oder dem Neubewertungsmodell bewertet wird (IFRIC 1.5f.). Danach sind Änderungen der Rückstellung im Anschaffungskostenmodell unmittelbar mit dem Buchwert des Vermögenswerts zu verrechnen. Demgegenüber gehen Änderungen der Rückstellung nach dem Neubewertungsmodell in die für diesen Vermögenswert angesetzte Neubewertungsrücklage ein.
Tz. 128
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Nach IAS 37.47 hat der Abzinsungssatz die aktuellen Markterwartungen widerzuspiegeln. Fraglich ist, wie Zinssatzänderungen in der GuV auszuweisen sind. UE sind sie als Änderungen von Schätzungen einzustufen und damit in der Position der ursprünglichen Rückstellungsbildung zu verbuchen (Ernst & Young (Hrsg.), 2020, S. 1860; so auch IFRIC 1.IE3 und BC.12 für Änderungen bei Entsorgungs-, Wiederherstellungs- und ähnliche Verpflichtungen). ADS Int 2002, Abschn. 18, Tz. 91, spricht sich – mangels eindeutiger Regelungen des Standards – für ein Wahlrecht aus, entweder den gesamten Anpassungsbetrag als Finanzierungskosten (so Ernsting/von Keitz, DB 1998, S. 2477) oder in der Position der ursprünglichen Rückstellungsbildung zu erfassen. Zudem sei es zulässig, die Effekte aus Veränderungen des risikofreien Zinses als Finanzierungskosten und solche aus Veränderungen des Risikoabschlags in derselben Position auszuweisen, in der der ursprünglich geschätzte Betrag gezeigt wurde. IAS 37.84 (e) sieht vor, dass die Auswirkungen von Zinssatzänderungen im Anhang zu erläutern sind (vgl. Tz. 135).
Tz. 129
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Rückstellungen, die nach IAS 37.45 mit dem Barwert angesetzt wurden, sind in den nachfolgenden Perioden bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Verpflichtung zu erfüllen ist, aufzuzinsen; in der GuV ist die Aufzinsung einer Rückstellung als ...