Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 215
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Sind die Ansatzvoraussetzungen erfüllt und ist ein Unternehmen Vertragspartei eines Finanzinstruments geworden, hat es dieses bei Zugang mit dem beizulegenden Zeitwert zu bemessen und anzusetzen (vgl. IFRS 9.5.1.1). Die Regelung gilt für Vermögenswerte und Verbindlichkeiten gleichermaßen.
Tz. 216
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Der IASB geht davon aus, dass der Transaktionspreis zum Zugangszeitpunkt der beste Nachweis für den beizulegenden Zeitwert eines Finanzinstruments (also den Kauf eines Vermögenswerts oder der Eingehung einer Schuld) ist. Er geht somit davon aus, dass der dem Finanzinstrument beizumessende Wert dem beizulegenden Zeitwert der entrichteten resp. erhaltenen Gegenleistung entspricht (vgl. IFRS 9.5.1.1 iVm. B5.1.2A und BCZ5.10 sowie IFRS 13.58). Indes darf ein Unternehmen diesen Transaktionspreis nicht verwenden, wenn sich bei Quervergleich mit anderen derzeit am Markt zu beobachtenden Geschäften mit demselben Instrument eindeutig ein anderer beizulegender Zeitwert ergibt (vgl. IFRS 9.5.1.1A iVm. B5.1.2; s. a. IASB Expert Advisory Panel 2008, Tz. 16 und 20). Gleiches gilt, wenn der beizulegende Zeitwert des Finanzinstruments mithilfe eines Bewertungsverfahrens ermittelt wurde und alle Inputfaktoren am Markt beobachtbar sind (vgl. IFRS 9.B5.1.2A). Der Formulierung nach stellt der Rückgriff auf den Transaktionspreis den Regelfall dar. Es kann allerdings Fälle geben, in denen der Transaktionspreis vom beizulegenden Zeitwert des Finanzinstruments bei Zugang abweicht. Als typischer Anwendungsfall lassen sich die bereits angesprochenen Förderkredite anführen, die zu einem deutlich unter dem Marktzinsniveau liegenden Zins ausgereicht werden. Ferner ist dies regelmäßig bei strukturierten Produkten der Fall, die von einer Bank eigens auf die Bedürfnisse eines Kunden zugeschnitten wurden. Der Unterschied erklärt sich aus der Marge, die in die Struktur eingepreist und dem Kunden in Rechnung gestellt wurde. Da derartige peer-to-peer-Geschäfte nicht börsennotiert sind, ist als nächstes zu prüfen, ob für die einzelnen Bausteine des strukturierten Produkts Preisnotierungen vorliegen; dies dürfte in vielen Fällen gegeben sein, so dass der beizulegende Zeitwert der Struktur als Addition der beizulegenden Zeitwerte der einzelnen Komponenten zu bemessen ist. In diesen Fällen kommt es infolge des Auseinanderfallens von beizulegendem Zeitwert und Transaktionspreis zwangsläufig zu einem unmittelbaren Zugangserfolg, dem sog. Day-1-Gain/Loss. Diese Bewertungserfolge am Zugangstag entsprechen ökonomisch der Strukturierungsmarge, also dem Preisanteil, der auf die mit einer Struktur verbundene Intransparenz auf Seiten des Kunden entfällt.
Tz. 217
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Wie Bewertungserfolge am Zugangstag zu bilanzieren sind, regelt der IASB explizit in IFRS 9.5.1.1A iVm. B5.1.2A (s. a. Deloitte LLP 2018, S. 524ff.; Ernst & Young LLP 2018, S. 3677): Er führt in B5.1.2A aus, dass die Anwendung von IFRS 9.5.1.1 (also der Vergleich von Transaktionspreis mit einer aktuell am Markt zu beobachtenden Transaktion mit demselben Instrument) nicht zu einer Erfolgsbuchung bei Zugang führen mag – was im Umkehrschluss natürlich bedeutet, dass es Fälle geben kann (und gibt), in denen ein Zugangserfolg auftritt. Der Board legt dann dar, dass sich die Folgebewertung aus den allgemeinen Vorschriften ergebe (vgl. Tz. 221ff.) und eine nachträgliche Erfolgserfassung nur insoweit sachgerecht sei, wie sie auf eine Änderung eines preisbestimmenden Faktors (vgl. Tz. 206) zurückgeführt werden könne und Marktakteure diese Änderung bei einer Preisfindung berücksichtigen würden (vgl. IFRS 9.B5.1.2A(b)). Daraus folgt, dass zum Zeitpunkt des Zugangs auftretende Bewertungserfolge dem Grunde nach unmittelbar erfolgswirksam im Periodenergebnis zu erfassen sind (vgl. IFRS 9.B5.1.2A (a); s. a. IFRS 9.BCZ5.10). Von diesem Vorgehen ist nur in zwei Fällen abzuweichen:
- wenn es sich bei dem Finanzinstrument um Handelsforderungen ohne signifikante Finanzierungskomponente handelt und der Transaktionspreis stets und auch bei Abweichung vom beizulegenden Zeitwert zu verwenden ist (vgl. IFRS 9.5.1.1 und 3); sowie
- wenn der beizulegende Zeitwert zwar durch Zerlegung in Einzelkomponenten ermittelt werden kann, die Bemessung der Einzelkomponenten aber nicht durchgehend marktbasiert ist. In diesen Fällen ist der Zugangserfolg abzugrenzen und in sachgerechter Weise über die Laufzeit des Finanzinstruments zu erfassen. Hinsichtlich der Art der Verteilung trifft der IASB keine konkreten Aussagen und verweist in den Anwendungsleitlinien lediglich darauf, dass die Folgebewertung für diese Bewertungserfolge "in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Standards" zu erfolgen habe (vgl. IFRS 9.B5.2.2A), was dem Grunde nach für eine effektivzinskonforme Erfassung sprechen dürfte.
Beispiel 21 – Day-1-Gain:
Sachverhalt: Eine Bank emittiert auf Wunsch eines Kunden eine Aktienanleihe zum Emissionspreis von 100 GE. Der Emissionspreis entspreche dem Nominalwe...