Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch
1. Allgemeine Ansatzkriterien
Tz. 96
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Vermögenswerte (assets) und Schulden (liabilities), welche die Definitionskriterien erfüllen, sind nur dann in der Bilanz zu erfassen, wenn ihr Ansatz den Abschlussadressaten entscheidungsnützliche Informationen liefert, dh. (CF.5.7):
- relevante Informationen über die Vermögenswerte und Schulden und die korrespondierenden Aufwendungen und Erträge bzw. die Eigenkapitalveränderungen (CF.5.7(a)); sowie
- glaubwürdig dargestellte Informationen über die Vermögenswerte und Schulden und die korrespondierenden Aufwendungen und Erträge bzw. die Eigenkapitalveränderungen (CF.5.7(b)).
Tz. 97
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Nach dem alten Conceptual Framework (2010) wurden Vermögenswerte und Schulden in der Bilanz angesetzt, wenn die Kriterien des wahrscheinlichen Nutzenzuflusses bzw. -abflusses und der verlässlichen Bewertbarkeit erfüllt waren. Das Conceptual Framework (2018) stellt für die Ansatzentscheidung hingegen auf die fundamentalen qualitativen Anforderungen ab. Die Ansatzkriterien des Conceptual Framework (2010) sind in diesem Zusammenhang nur noch Faktoren, die bei der Beurteilung, ob der Ansatz von Jahresabschlussposten zu relevanten und glaubwürdig dargestellten Informationen führt, zu berücksichtigen sind (CF.BC5.4). Der IASB begründet diesen Schritt unter anderem mit der mangelnden Konformität der alten Ansatzkriterien zu bestehenden Standards (CF.BC5.2). So hat zB der Ansatz eines finanziellen Vermögenswertes oder einer finanziellen Verbindlichkeit nach IFRS 9.3.1.1 zu erfolgen, sobald ein Unternehmen Vertragspartei eines Finanzinstruments wird.
Tz. 98
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Das Conceptual Framework konkretisiert die Bedeutung der fundamentalen qualitativen Anforderungen im Kontext der Ansatzentscheidung. Für die Beurteilung, ob Informationen über Vermögenswerte (assets) und Schulden (liabilities) sowie die hieraus resultierenden Aufwendungen (expenses) und Erträge (income) relevant sind, sind insb. zwei Faktoren von Bedeutung. Zum einen ist ausschlaggebend, wie sicher die Existenz eines Vermögenswertes bzw. einer Schuld ist. Ist die Existenz mit zu hoher Unsicherheit behaftet (existence uncertainty, CF.5.12(a)), ist die Relevanz der Informationen nicht mehr gegeben. Zum anderen ist von Bedeutung, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Zu- oder Abflusses von wirtschaftlichem Nutzen ist. Auch hier ist die Relevanz der Informationen nicht mehr gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Zu- oder Abflusses von wirtschaftlichem Nutzen zu gering ist (low probability of an inflow or outflow of economic benefits, CF.5.12(b)). Die Ansatzentscheidung ist allerdings nunmehr an keine konkrete Schwelle der Wahrscheinlichkeit des Zu- oder Abflusses von wirtschaftlichem Nutzen geknüpft. Im Conceptual Framework (2010) musste der Zu- oder Abfluss von wirtschaftlichem Nutzen hingegen zumindest wahrscheinlich ("probable") sein (was als Wahrscheinlichkeit von > 50 % interpretiert wurde; vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, 10. Aufl., S. 116). Scheidet ein Ansatz in der Bilanz aus, sind im Anhang Angaben zu der Höhe und der zeitlichen Verteilung der Nutzenzuflüsse bzw. -abflüsse zu machen sowie zu den Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens beeinflussen (CF.5.15f.).
Tz. 98a
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Der Verzicht auf eine konkrete Wahrscheinlichkeitsschwelle erschwert die Anwendbarkeit der Ansatzkriterien. Allerdings war mit einer konkreten Schwelle die Gefahr verbunden, Vermögenswerte und Schulden nicht anzusetzen, obwohl dies zu relevanten Informationen führen würde. Der IASB begründet seine Entscheidung neben diesem Argument auch mit der Schwierigkeit, eine Wahrscheinlichkeitsschwelle festzulegen, die über alle Standards hinweg gilt (CF.BC5.17). Durch den Verzicht auf eine Wahrscheinlichkeitsschwelle soll hingegen die bisher fehlende Konsistenz zwischen den bestehenden Standards und dem Conceptual Framework hergestellt werden (vgl. Tz. 97). Bei der Entwicklung künftiger Standards muss der IASB gleichwohl entscheiden, ob in den jeweiligen Standard zusätzliche konkrete Hürden als Ansatzkriterien aufgenommen werden sollen (vgl. Erb/Pelger, IRZ 2018, S. 329).
Tz. 99
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Die glaubwürdige Darstellung von Informationen über Vermögenswerte und Schulden sowie Aufwendungen und Erträgen kann beim Vorliegen hoher Bewertungsunsicherheiten (measurement uncertainty) eingeschränkt sein. Bewertungsunsicherheiten treten vor allem im Zusammenhang mit Schätzungen auf, die von zentraler Bedeutung für die Abschlusserstellung sind. Dennoch führen Schätzungen nicht automatisch dazu, dass Informationen nicht entscheidungsnützlich sind. Die Entscheidungsnützlichkeit kann gegeben sein, sofern die Schätzungen ausreichend beschrieben und erläutert werden (CF.5.19). Jedoch kann die Bewertungsunsicherheit auch so hoch sein, dass eine glaubwürdige Darstellung der Informationen nicht möglich ist. Die ist zB der Fall, wenn eine Schätzung auf cashflowbasierten Bewertungstechniken beruht und die Cashflow...