Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Isabel von Keitz
Tz. 101
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Der alte IAS 38 (1998) setzte für die Aktivierung von nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten die kumulative Erfüllung der folgenden zwei Bedingungen voraus:
1) |
Es ist wahrscheinlich, dass das ursprünglich bewertete Nutzenpotenzial des immateriellen Vermögenswertes durch die nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten verbessert bzw. erhöht wird, und |
2) |
die Ausgaben sind einem bestimmten aktivierten immateriellen Vermögenswert zuverlässig zurechenbar und messbar. |
Waren diese Bedingungen kumulativ erfüllt, bestand eine Pflicht, die nachträglichen Kosten den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zuzurechnen. War eines der beiden Kriterien hingegen nicht erfüllt, bestand ein Aktivierungsverbot und die Kosten waren sofort als Aufwand zu erfassen. Eine Beibehaltung dieser Vorschrift hätte bedeutet, dass auch nachträgliche Forschungs- und Entwicklungskosten für ein laufendes Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworben und gem. IAS 38.34 separat aktiviert wurde, als nachträgliche Anschaffungskosten zu aktivieren gewesen wären, sofern sie die zwei Kriterien erfüllen. Dies hätte ggf. zur Folge gehabt, dass für solche erworbenen laufenden Projekte auch Forschungs- und Entwicklungskosten, die die sechs Ansatzkriterien gem. IAS 38.57 noch nicht kumulativ erfüllen, aktivierungspflichtig wären, während in einem vergleichbaren Projekt, das nicht erworben, sondern beim Unternehmen selbst gestartet wurde, diese Kosten nicht aktivierungsfähig sind. Diese Ungleichbehandlung wollte der IASB verhindern (zur Begründung vgl. IAS 38.BCZ85–89). Die im Folgenden dargestellte Änderung der Behandlung von nachträglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass deren bilanzielle Behandlung bei Sachanlagen in IAS 16 im Rahmen des sog. Improvements Project geändert wurde (hierzu vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 16, Tz. 26–28b).
Tz. 102
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Gem. IAS 38.18 gelten die allgemeinen Ansatzkriterien grundsätzlich auch für nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten, die anfallen, um einem Vermögenswert etwas hinzuzufügen, ihn zu ersetzen oder zu warten. Demnach sind nachträglich anfallende Kosten nur dann aktivierungspflichtig, wenn sie die Definition eines immateriellen Vermögenswertes erfüllen, der Nutzenzufluss wahrscheinlich ist und eine zuverlässige Bewertbarkeit möglich ist. Für nachträgliche Ausgaben für ein erworbenes laufendes Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird in IAS 38.42 zudem klargestellt, dass die konkretisierten Ansatzkriterien für selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte erfüllt sein müssen (vgl. auch EY, International GAAP 2020, S. 1262f.). Somit dürfen nach dem Erwerb anfallende Forschungskosten generell nicht und Entwicklungskosten, die die sechs Ansatzkriterien des IAS 38.57 nicht kumulativ erfüllen, ebenfalls nicht als nachträgliche Anschaffungskosten aktiviert werden (IAS 38.43).
Tz. 103
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Durch IAS 38.20 wird indes deutlich, dass mit Ausnahme der nachträglichen Kosten für erworbene Forschungs- und Entwicklungsprojekte, für die mit IAS 38.42 die Bilanzierung konkret geregelt wurde (vgl. hierzu auch Lüdenbach/Prusaczyk, KoR 2004, S. 415–422), für die Frage der bilanziellen Behandlung von nachträglichen Kosten letztlich nach wie vor entscheidend ist, dass durch die Kosten eine Erweiterung bzw. Verbesserung von bereits aktivierten immateriellen Vermögenswerten erreicht wird (vgl. ähnlich Theile, in: Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 6. Aufl., Kap. 13, Tz. 13.95f.).
Für die Beurteilung der Erweiterung bzw. Verbesserung des bewerteten Nutzenpotenzials durch die nachträglichen Ausgaben ist von den Umständen auszugehen, die zum Zeitpunkt der Zugangsbewertung berücksichtigt wurden. Somit ist immer von dem zum Zeitpunkt der Zugangsbewertung bestehenden, künftigen erwarteten Nutzenpotenzial auszugehen. So führt zB eine Erweiterung bzw. Verbesserung des Leistungs- und Funktionsumfangs zu einer Verbesserung des Nutzenpotenzials im Vergleich zur Zugangsbewertung (vgl. so auch Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 13, Tz. 78. Kühle/Thiele und Heckeler/Kühnel sehen hingegen den Zustand direkt vor der Verbesserung respektive Erweiterung als Vergleichsmaßstab an, vgl. Kühle/Thiele, in: Internationales Bilanzrecht, IAS 38, Tz. 174; Heckeler/Kühnel, in: Beck IFRS-Handbuch, 6. Aufl., § 4, Tz. 95). Sofern aber das zum Zugangszeitpunkt bestandene Nutzenpotenzial nur wieder erreicht werden soll, sind die angefallenen Ausgaben reine Erhaltungsausgaben, die nicht aktiviert werden dürfen (IAS 38.20). Auch entrichtete Entgelte, die zu einer Verlängerung der ursprünglichen Nutzungsdauer führen, sind nicht als nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu charakterisieren. Vielmehr wird dadurch ein neuer immaterieller Vermögenswert erworben (vgl. ADS Int, Abschnitt 8, Tz. 188).
Auch die im alten IAS 38 (1998) als zweite Be...