Tz. 5

Stand: EL 47 – ET: 06/2022

Der Informationsgewinn aus Sicht des Adressaten entsteht bei der EPS-Größe durch das Herunterbrechen des den Aktionären des Mutterunternehmens zustehenden GuV-Ergebnisses (im Folgenden als Periodenergebnis bezeichnet) auf die einzelne Aktie (vgl. Bonse/Jannett, DBW 2007, S. 739). Vor diesem Hintergrund ist zunächst der Aktienbegriff zu definieren. In IAS 33.5–6 wird zwischen Stamm- und Vorzugsaktien (ordinary shares and preference shares) unterschieden. Als Stammaktien werden Eigenkapitalinstrumente bezeichnet, die allen anderen Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten nachgeordnet sind. Die Nachrangigkeit bezieht sich gemäß IAS 33.6 auf die Rangfolge des Dividendenanspruchs. Ein Stammaktionär hat insofern erst dann Ansprüche auf den Unternehmensertrag, nachdem alle anderen Anspruchsberechtigten bedient worden sind. Der Anspruch der Stammaktionäre ist dann jedoch unbeschränkt. Nach IAS 33.6 kann ein Unternehmen unterschiedliche Arten von Stammaktien ausgegeben haben, wenn sich Aktien in der Höhe der Dividendenansprüche, nicht jedoch in der Rangfolge des Dividendenanspruchs unterscheiden (nicht vorrangige Mehrdividende). Andernfalls handelt es sich gem. IAS 33.6 iVm. IAS 33.A13 (b) bei der bevorzugten Aktiengattung um Vorzugsaktien.

 

Tz. 6

Stand: EL 47 – ET: 06/2022

Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die am deutschen Kapitalmarkt nach wie vor häufig anzutreffenden Vorzugsaktien nach § 139 AktG im Kontext des IAS 33 als eine separate Kategorie von Stammaktien oder als eine Gruppe von Vorzugsaktien anzusehen sind. Im letzteren Fall wären sie als sogenannte partizipierende Instrumente zu berücksichtigen. Als partizipierende Instrumente gelten nach IAS 33.A13 sämtliche Instrumente, die nach einer festgelegten Formel (zB zwei zu eins) an Stammaktien-Dividenden (ggf. lediglich bis zu einer bestimmten Obergrenze) partizipieren. Neben Vorzugsaktien kommen zB Genussscheine als partizipierende Instrumente in Frage, wenn diese in Abhängigkeit von der Dividende entlohnt werden (vgl. zu Genussscheinen Perridon et al., 2017, S. 489).

Für die Berechnungsschritte ist es unerheblich, ob deutsche Vorzugsaktien als Stammaktiengattung oder als partizipierende Instrumente einzustufen sind, da in jedem Fall die two class method zum Einsatz kommt, bei der das Periodenergebnis unter der Annahme einer Vollausschüttung auf sämtliche Stammaktiengattungen und Gruppen partizipierender Instrumente entsprechend aufzuteilen ist (ausführlich vgl. Tz. 13). Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass IAS 33 bei unterschiedlichen Stammaktiengattungen die separate Präsentation der EPS-Kennzahlen für jeden Stammaktientyp fordert (IAS 33.66). EPS-Größen für partizipierende Instrumente müssen hingegen nicht präsentiert werden.

Mangels einer expliziten Definition des Begriffs Vorzugsaktie in IAS 33 wurde früher in Teilen der Literatur die Ansicht vertreten, dass der Standard hiermit lediglich Instrumente meint, die einen begrenzten Anspruch am Vermögen und damit an den (thesaurierten) Gewinnen hätten (limitierte Vorzugsaktien). Dies wurde idR damit begründet, dass die Wurzeln des Standards im US-amerikanischen Ausland liegen, wo diese Form von Vorzugsaktien vorherrscht (vgl. zu US-amerikanischen Vorzugsaktien Merkt, 2013, Tz. 508ff.). Deutsche Vorzugsaktien haben jedoch grundsätzlich einen unbeschränkten Residualanspruch auf das Unternehmensvermögen (vgl. zu deutschen Vorzugsaktien Dauner-Lieb, in: Kölner Komm. AktG, 3. Aufl., § 11 AktG). Folglich wurde argumentiert, dass Vorzugsaktien nach deutschem Muster im Kontext des IAS 33 als eine separate Stammaktiengattung anzusehen sind, für die EPS gem. IAS 33.66 verpflichtend zu berechnen und zu präsentieren sind (vgl. ua. Förschle, 1997, S. 506f.; HFA, IDW-FN 2000, S. 49f., Tz. 103).

Mittlerweile wird jedoch weitgehend die Auffassung vertreten, dass der Begriff der Vorzugsaktie keineswegs nur limitierte Vorzugsaktien nach US-amerikanischem Vorbild meint (vgl. stellvertretend HFA, IDW-FN 2012, S. 385f., Tz. 26). Deutsche Vorzugsaktien iSd. § 139 AktG sind aufgrund der Tatsache, dass sie vorrangig zu bedienen sind, auch nach IAS 33 als Vorzugsaktien anzusehen. Dementsprechend wären sie als partizipierende Instrumente zu behandeln, so dass eine Veröffentlichung von EPS-Kennzahlen für Vorzugsaktien allein auf Basis von IAS 33 nicht verpflichtend wäre. Gemäß dem Grundsatz der Fair Presentation ist in Einklang mit IAS 1.85 bei einer wesentlichen Bedeutung des auf die Vorzugsaktien entfallenden Kapitals jedoch die Präsentation von EPS-Größen uE nicht nur für die verschiedenen Stammaktiengattungen, sondern auch für die Gruppe der Vorzugsaktien geboten (gA Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Komm., 19. Aufl., 2021, § 35, Tz. 5ff.; Beine/Schütte, in: Handbuch IFRS 2011, 7. Aufl., 2011, Abschn. 20, Tz. 14; Dörschell, in: IFRS-Handbuch, 5. Aufl., 2012, Tz. 8021; Löw/Roggenbuck, DBW 1998, S. 662f.).

 

Tz. 7

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IAS 33 schreibt grundsätzlich die Ermittl...

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