Dr. Stefan Bischof, Dipl.-Ök. Günter Doleczik
Tz. 21
Stand: EL 47 – ET: 06/2022
Ereignisse, deren Ursache eindeutig nach der Berichtsperiode liegt (wertbeeinflussende Tatsachen), dürfen bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden (IAS 10.10; zu den Ausnahmen im Zusammenhang mit der Annahme der Unternehmensfortführung vgl. Tz. 27ff. und im Zusammenhang mit der Ermittlung des Ergebnisses je Aktie vgl. Tz. 17). Dies entspricht grundsätzlich auch der handelsrechtlichen Sichtweise. Indes wird es im handelsrechtlichen Schrifttum als geboten erachtet, wertbeeinflussenden Tatsachen, soweit sie negativer Art sind und einen erheblichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben, durch eine besonders vorsichtige Bewertung am Bilanzstichtag Rechnung zu tragen (vgl. ADS, 6. Aufl., § 252 HGB, Tz. 47). Diese Betrachtungsweise ist uE in der IFRS-Rechnungslegung unzulässig, da dort dem Vorsichtsprinzip eine weniger ausgeprägte Bedeutung als in einem handelsrechtlichen Abschluss zukommt, vielmehr sind solche Tatsachen durch die Angaben gem. IAS 10.21 offenzulegen. Im Übrigen können wertbeeinflussende Tatsachen sowohl positiver als auch negativer Natur sein.
Als ein Beispiel für eine wertbeeinflussende Tatsache nennt IAS 10.11 einen abnehmenden beizulegenden Zeitwert einer Finanzinvestition zwischen dem Ende der Berichtsperiode und dem Zeitpunkt der Freigabe des Abschlusses zur Veröffentlichung, da das Sinken des beizulegenden Zeitwerts idR nicht mit der Beschaffenheit der Finanzinvestition am Ende der Berichtsperiode zusammenhängt, sondern Umstände reflektiert, die in der folgenden Berichtsperiode eingetreten sind. Folglich ist zum Ende der Berichtsperiode weder der Wertansatz der Finanzinvestition anzupassen, noch sind mit der Finanzinvestition zusammenhängende Anhangangaben zu aktualisieren. Allerdings kann sich hieraus eine Angabepflicht gem. IAS 10.21 ergeben, sofern dieses Ereignis aufgrund dessen Bedeutung die Fähigkeit des Bilanzlesers, eine sachgerechte Beurteilung des Abschlusses vorzunehmen, beeinträchtigen könnte (zur Angabepflicht von wertbeeinflussenden Tatsachen vgl. Tz. 36f.). Die in IAS 10.11 vorgenommene Würdigung als wertbeeinflussende Tatsache ist insb. bei Vorliegen von beobachtbaren Marktpreisen ohne Weiteres nachvollziehbar. Dieser Zusammenhang ist indes nicht immer eindeutig, wenn der beizulegende Zeitwert auf Basis von Bewertungsmodellen, insb. auf Basis von Cash-Flow-Prognosen ermittelt wird. Solche Prognosen werden in der Praxis zT erst nach der Berichtsperiode erstellt, wenn bereits manche der (tatsächlichen) Ergebnisse der Folgeperiode verfügbar sind. Hier lässt sich nicht immer klar trennen, inwieweit wertbeeinflussende Tatsachen auf die tatsächlichen Ergebnisse eingewirkt haben.
Es handelt sich idR uE um eine wertbeeinflussende Tatsache, wenn das Sinken des beizulegenden Zeitwerts von Vermögenswerten auf die Aufdeckung von betrügerischen Handlungen zurückzuführen ist, da der Rückgang des Zeitwerts aus Schätzungsänderungen resultiert, die sich aus nach der Berichtsperiode bekannt gewordenen Informationen oder Entwicklungen ergeben (IAS 8.5). Das gilt insbesondere für handelbare Wertpapiere, deren Marktwert am Bilanzstichtag ein Beleg dafür ist, dass die Wertpapiere zu diesem Zeitpunkt zu dem höheren Preis veräußerbar waren. Sollte dagegen die Aufdeckung von betrügerischen Handlungen zu der Erkenntnis führen, dass ein Wertpapier zum Ende der Berichtsperiode gar nicht vorhanden war, ist dies idR eine wertaufhellende Tatsache, da in diesem Fall die Aufdeckung von deliktischen Handlungen neue Informationen über bereits am Abschlussstichtag vorhandene Gegebenheiten liefert (vgl. Ernst & Young, IGAAP 2022, Ch. 33, 3.5.).
Ansonsten sind betrügerische Handlungen oder Fehler in den Büchern des Unternehmens, die erst nach der Berichtsperiode bekannt werden, regelmäßig als wertaufhellend einzustufen (IAS 10.9). Stellt sich bspw. heraus, dass aufgrund betrügerischer Handlungen Vorräte nicht vorhanden sind oder der Kassenbestand oder die ausgewiesenen Umsatzerlöse überhöht sind, so handelt es sich hierbei typischerweise um wertaufhellende Ereignisse. Indes ist nicht immer evident, ob und in welchem Umfang überhaupt eine betrügerische Handlung vorliegt, sodass eine Würdigung nur im Einzelfall erfolgen kann.
Ein wertbegründendes Ereignis liegt uE normalerweise auch für den Fall vor, dass ein Mieter einer zum beizulegenden Zeitwert bewerteten als Finanzinvestition gehaltenen Immobilie iSv. IAS 40 nach dem Ende der Berichtsperiode, zB wegen Insolvenz, die Mietzahlungen einstellt. Ein ggf. hierdurch ausgelöstes Absinken des beizulegenden Zeitwerts ist idR erst in dieser Periode zu berücksichtigen (vgl. Ernst & Young, IGAAP 2022, Ch. 33, 3.4.).
In IAS 10.22 werden weitere Beispiele für wertbeeinflussende Tatsachen genannt, die normalerweise von einer solchen Bedeutung sind, dass sie die Fähigkeit des Bilanzlesers, eine sachgerechte Beurteilung des Abschlusses vorzunehmen, beeinträchtigen und damit idR angabepflichtig sind:
- ein bedeutender Unternehme...