Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 122
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Der Erwerbszeitpunkt ist definiert als der Tag, an dem die Beherrschung des erworbenen Unternehmens bzw. Geschäftsbetriebs auf den Erwerber übergeht (IFRS 3.8; vgl. Tz. 88).
Tz. 123
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Der Erwerber eines Unternehmens hat ab dem Erwerbszeitpunkt (IFRS 3.1 iVm. IFRS 3.9 und IFRS 10.20):
1) |
die Ergebnisse des erworbenen Unternehmens in die Konzern-GuV aufzunehmen; und |
2) |
die identifizierbaren Vermögenswerte und Schulden des erworbenen Unternehmens sowie einen Anteil ohne beherrschenden Einfluss am erworbenen Unternehmen und einen eventuell entstehenden Goodwill aus dem Unternehmenszusammenschluss in der Konzernbilanz anzusetzen. |
Dieser Zeitpunkt ist damit zugleich auch der Zeitpunkt der Erstkonsolidierung, an dem die Anwendung der Erwerbsmethode beginnt, dh. ua. die Vermögenswerte erworben und Schulden übernommen werden (IFRS 3.9), und ist sowohl für den Beginn der Übernahme der Ergebnisse des Tochterunternehmens als auch für die Wertverhältnisse der Vermögenswerte und Schulden maßgeblich. In einigen Fällen kann es indes sein, dass die Erstkonsolidierung nur vorläufig vorgenommen werden kann (vgl. hierzu Tz. 390 ff.).
Tz. 124
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Der Erwerbszeitpunkt kann theoretisch sowohl vor, als auch nach dem rechtlichen Übergang der Unternehmensanteile liegen (IFRS 3.9). Bedeutsam ist lediglich, ob die Beherrschung – wirtschaftlich betrachtet – auf den Erwerber übergegangen ist (zur Prüfung der Beherrschung vgl. Tz. 105 ff.). In den Fällen, in denen unklar ist, ob die Beherrschung bereits übergegangen ist, ist eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Faktoren erforderlich. Im ganz überwiegenden Standardfall wird indes der Zeitpunkt des Unternehmenszusammenschlusses mit dem Zeitpunkt, zu dem die Anteile des Tochterunternehmens auf den Erwerber übergehen, identisch sein. In Deutschland ist entsprechend den rechtlichen Anforderungen zudem das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft von dem sachenrechtlichen Verfügungsgeschäft zu trennen. In der Regel liegt der Anspruch auf Ausübung der Anteile erst dann vor, wenn das Verfügungsgeschäft vollendet ist. Rückwirkungsvereinbarungen haben keinen Einfluss auf die Bestimmung des Erwerbszeitpunkts. Liegen gesellschafts- oder kartellrechtliche Genehmigungsvorbehalte vor, so ist die Ausübung der Beherrschung – theoretisch wie praktisch – begrenzt. Es liegt in diesem Fall noch keine Beherrschung iSd. IFRS 3 vor. Der Zeitpunkt der Auflösung des Vorbehalts stellt den Erwerbszeitpunkt und damit den Erstkonsolidierungszeitpunkt dar, da erst zu diesem Zeitpunkt die Beherrschung auf den Erwerber übergeht. Ein Beispiel hierfür wäre die Zustimmung der Anteilseigner zum Unternehmenszusammenschluss auf einer Hauptversammlung. Nur in seltenen Ausnahmenfällen kann auch im Fall von Genehmigungsvorbehalten Beherrschung unterstellt werden, etwa, wenn der Aufsichtsrat (oder die Gesellschafter) zwar über ein Genehmigungsrecht verfügt, die Genehmigung allerdings aufgrund eindeutiger Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat (oder in der Gesellschafterversammlung) einen lediglich formalrechtlichen Akt darstellt. Beherrschung liegt auch nicht vor, wenn lediglich kartellrechtliche Anzeigeerfordernisse dem Zusammenschluss entgegenstehen. Der Sachverhalt ist gemäß den Rechtsvorschriften im jeweiligen lokalen Rechtsraum zu entscheiden. In der Regel führt ein Zusammenarbeiten zweier Unternehmen vor Zugang des Genehmigungsbescheids des Kartellamts zu einem Verstoß gegen kartellrechtliche Auflagen, die weitere Sanktionsmaßnahmen nach sich ziehen können. Vor Zugang des Genehmigungsbescheids liegt somit regelmäßig keine Beherrschung vor.
Tz. 125
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Im Fall eines Anteilsrückkaufs durch das untergeordnete Unternehmen kann die Beherrschung über das untergeordnete Unternehmen sogar wechseln, ohne dass das übergeordnete Unternehmen selbst eine Transaktion durchgeführt hat (vgl. hierzu IFRS 3.8 (2004)). Der Zeitpunkt des Aktienrückkaufs stellt in diesem Fall den Erwerbszeitpunkt dar.
Tz. 126
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Nur in Ausnahmefällen wird der Erwerbszeitpunkt mit dem Bilanzstichtag des erworbenen Unternehmens identisch sein. In diesen Fällen erübrigt sich eine gesonderte Ermittlung des anteiligen Ergebnisses. In allen anderen Fällen ist es erforderlich, das anteilige Ergebnis für den Tag des Erwerbs mit Hilfe eines Zwischenabschlusses zu bestimmen. In jeden Fall sind die beizulegenden Zeitwerte der übernommenen Vermögenswerte, Schulden und Eventualschulden des erworbenen Unternehmens am Erwerbsstichtag zu ermitteln. Häufig sind diese Daten in Bewertungsgutachten enthalten, die anlässlich des Erwerbs von Anteilen eines Tochterunternehmens erstellt werden. Liegt der Erwerbszeitpunkt vor dem Ende einer Berichtsperiode (zB der 15. März eines Jahres), so ist dieser Tag für die Konsolidierung des erworbenen Unternehmens maßgeblich. In der Praxis werden die Verträge eines Unternehmenszusammenschlusses daher idR so formuliert, dass die Be...