Dipl.-Kfm. Thomas Müller-Marqués Berger, Dr. Holger Wirtz
Tz. 18
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
Infolge der Finanz- und Währungskrise und der damit einhergehenden zunehmenden Beachtung von öffentlichen Finanzkennzahlen ist auch die öffentliche Rechnungslegung in den Mitgliedstaaten der EU zum Gegenstand von Reformdiskussionen geworden. Ausgangspunkt dieser Diskussionen ist, dass durch die bislang nicht gegebene Harmonisierung der öffentlichen Rechnungslegung in Europa seitens der Europäischen Kommission eine Beeinträchtigung von Transparenz und Verlässlichkeit der finanziellen Berichterstattung gesehen wird. Vor dem Hintergrund dieser bislang nicht erfolgten Harmonisierung der öffentlichen Rechnungslegung (und der daraus weiter abgeleiteten Vermutung einer unzureichenden Vergleichbarkeit) hat die europäische Statistikbehörde Eurostat im Jahr 2012 im Auftrag der Europäischen Kommission eine Erhebung durchgeführt, in der das tatsächliche Ausmaß an Heterogenität in der öffentlichen Rechnungslegung und Prüfung untersucht wurde. Die Untersuchung wurde erforderlich, da das Europäische Parlament die Europäische Kommission zur Abgabe einer Einschätzung aufgefordert hat, ob die IPSAS als Rechnungslegungsstandards für die Mitgliedstaaten der EU sowie als Datengrundlage für die öffentliche Finanzstatistik geeignet sind. Aus diesem Grund wurde in einer Studie im Jahr 2012 die Praxis der Rechnungslegung in den 27 EU-Mitgliedstaaten untersucht (zu den Ergebnissen im Einzelnen vgl. Commission Staff Working Dokument, SWD(2013)57). Zudem wurde die Frage gestellt, inwiefern eine flächendeckende Einführung der IPSAS in den EU-Mitgliedstaaten als realistisch betrachtet werden kann (vgl. Europäische Kommission, COM(2013)114, Brüssel 2013). Insofern handelte es sich hierbei auch um eine Art Machbarkeitsstudie zur Einführung der IPSAS in Europa.
Tz. 19
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
Als vorläufiges Ergebnis kam die Europäische Kommission zu dem Fazit, dass "die IPSAS in ihrer gegenwärtigen Form nicht ohne Weiteres in den EU-Mitgliedstaaten eingeführt werden können. Andererseits stellen die IPSAS unstreitig einen Bezugsrahmen für eine mögliche harmonisierte Rechnungsführung des öffentlichen Sektors in der EU dar." Daraus wird die Schlussfolgerung gezogen, dass "die IPSAS einen geeigneten Bezugsrahmen für die künftige Entwicklung europäischer Rechnungsführungsnormen für den öffentlichen Sektor […] darstellen". Als wesentliche Kritikpunkte an den IPSAS nennt der Bericht der Kommission die durch die IPSAS eröffneten Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte, eine unzureichende Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse, Merkmale und Interessen der öffentlichen Rechnungslegung (wie bspw. die Bilanzierung von Sozialleistungsverpflichtungen), die fehlende Stabilität der IPSAS mit Blick auf das sich (zu diesem Zeitpunkt; Anm. d. Verf.) noch in der Entstehung befindliche Rahmenkonzept des IPSAS-Boards sowie eine unzureichende Beteiligung der für die staatliche Rechnungslegung in der EU zuständigen Behörden (Europäische Kommission, COM(2013)114, Brüssel 2013, S. 10). Der Bericht spricht sich in diesem Zusammenhang für die Schaffung sog. "European Public Sector Accounting Standards" (kurz: EPSAS) aus (Europäische Kommission, COM(2013)114, Brüssel 2013, S. 10).
Tz. 20
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
Um die Entwicklung der EPSAS voranzutreiben, wurde beginnend in 2012 jeweils eine Task Force zum Thema "Governance" und zum Thema "Standards" ins Leben gerufen. Diese wurden beginnend mit 2015 durch die Schaffung einer EPSAS Arbeitsgruppe (sog. "EPSAS Working Group") sowie mehrerer Unterarbeitsgruppen (sog. "Cells") abgelöst. In der EPSAS Arbeitsgruppe, deren erste Sitzung im September 2015 stattfand, sind alle Mitgliedstaaten vertreten, wohingegen die Unterarbeitsgruppen aus wenigen, von den Mitgliedstaaten entsendeten, Experten bestehen. Im Jahr 2022 wurde die EPSAS Working Group von Seiten der Europäischen Kommission in EPSAS Expertengruppe (sog. "EPSAS Expert Group") umbenannt.
Tz. 21
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
Die Verbindung zu den Entwicklungen auf internationaler Ebene wird dadurch sichergestellt, dass der Vorsitzende des IPSASB sowohl an den Sitzungen der EPSAS Arbeitsgruppe als auch an den der Unterarbeitsgruppen teilnimmt. Bislang waren die folgenden Unterarbeitsgruppen aktiv:
- "Cell on First Time Implementation" (hat seine Arbeit mit der Vorstellung des Abschlussberichts in der EPSAS Arbeitsgruppe im November 2015 beendet),
- "Cell on Governance Principles",
- "Cell on principles related to EPSAS standards".
Tz. 22
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
In zeitlicher Hinsicht war seitens der Europäischen Kommission/Eurostat ursprünglich geplant, zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um dann bis Ende 2019 die Entwicklung der Standards abzuschließen. Bis zum Jahr 2021 sollten die EPSAS dann final in den Mitgliedstaaten implementiert werden. Von diesem Zeitplan und der ursprünglich angedachten Vorgehensweise ist Eurostat abgerückt. Anstatt zuerst die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, sieht der derzeitige Zeitplan fü...