Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 116
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
IFRS 9 trat verpflichtend erstmals für Geschäftsjahre in Kraft, die am oder nach dem 1. Januar 2018 begannen, wobei eine freiwillige vorzeitige Anwendung zulässig war (vgl. IFRS 9.7.1.1). Wie eingangs dargestellt, ist der Standard in Tranchen erarbeitet und seit der erstmaligen Veröffentlichung im November 2009 mehrfach ergänzt und geändert worden. Auf diese Weise entstanden insgesamt drei Vorfassungen des Standards, die jeweils individuelle Anwendungszeitpunkte und Übergangsvorschriften beinhalteten (vgl. IFRS 9.7.2.27f.). Hinzu kamen eine Änderung in letzter Minute zu Vorfälligkeitsregelungen mit negativer Ausgleichsleistung vom Oktober 2017 sowie Folgeänderungen aus anderen Standards (IFRS 15 und 16 sowie der Zyklus 2010–2012 des Projekts jährlicher Verbesserungen, vgl. IFRS 9.7.1.3–5). Da eine befreiende freiwillige vorzeitige Anwendung durch in der Europäischen Union domizilierte Unternehmen vor der offiziellen Übernahme des Standards durch die EU-Kommission rechtlich unzulässig war, werden spezifische Übergangsfragen von einer Fassung von IFRS 9 zur nächsten in dieser Kommentierung nicht behandelt. Das schließt die im Standard als Ausnahme vorgesehene vorzeitige Teilanwendung der Regelungen zur Erfassung der Wertänderungen aus freiwillig zum beizulegenden Zeitwert bewertenden Finanzverbindlichkeiten ein, die auf Veränderungen des eigenen Kreditrisikos zurückgehen (vgl. IFRS 9.7.1.2). Diese infolge der Finanzmarktkrise bewirkten Änderungen sind seinerzeit nicht in IAS 39 übernommen worden, sondern wurden allein in IFRS 9 kodifiziert.
Tz. 117
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Eine Sonderregelung existiert für Unternehmen der Versicherungswirtschaft, sofern diese so gut wie ausschließlich einer Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit dem Versicherungsgeschäft nachgehen: Diesen Unternehmen wird ein Wahlrecht eingeräumt, IFRS 9 zeitgleich mit dem Standard für Versicherungsverträge, IFRS 17, anzuwenden (vgl. IFRS 4.20A–K). Die Ausnahme ist allerdings eng umrissen und gilt nur, wenn das Kriterium auf der obersten Konzernebene erfüllt ist. In der Europäischen Union wurde diese Vorschrift dahingehend aufgeweicht, dass sie auch dann anwendbar ist, wenn Unternehmenseinheiten unterhalb der obersten Konzernebene überwiegend dem Versicherungsgeschäft nachgehen. Diese Abweichung zur vom IASB verlautbarten Fassung soll bestimmten Finanzkonglomeraten, insbesondere Bankkonzernen mit Versicherungssparten, die Anwendung der Aufschubregelung lediglich im Versicherungsteil des Konzerns ermöglichen. Der dadurch ausgelöste Normenkonflikt mit IAS 1 und 8 sowie IFRS 10, wonach innerhalb eines Konzerns konzerneinheitliche Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zur Anwendung kommen müssen, wird dabei billigend in Kauf genommen und auch nicht aufgelöst.