Prof. Dr. Hans-Joachim Böcking, Roman Mala'ebeh
Tz. 94
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Wird eine vormals getroffene Entscheidung zur Veräußerung eines langfristigen Vermögenswerts widerrufen oder sind andere Voraussetzungen für die Anwendung des IFRS 5 nicht mehr erfüllt, ist der Vermögenswert so zu bilanzieren, als ob er nie gemäß IFRS 5 umklassifiziert worden wäre. Zu diesem Zweck wird der Buchwert zum Zeitpunkt herangezogen, als der Vermögenswert nach IFRS 5 umklassifiziert wurde, dh. unter Berücksichtigung eventueller Wertminderungen, die vor der Klassifizierung als held for sale erfasst wurden. Dieser Buchwert wird um die planmäßigen Abschreibungen fortgeführt, die ohne eine Klassifizierung gemäß IFRS 5 erfasst worden wären (IFRS 5.27 (a)). Ist der erzielbare Betrag (recoverable amount) nach IAS 36 zum Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen des IFRS 5 geringer als der fortgeführte Buchwert, so ist der Vermögenswert mit dem erzielbaren Betrag anzusetzen (IFRS 5.27 (b)). Notwendige Anpassungen des Buchwerts langfristiger Vermögenswerte, die nicht mehr als zur Veräußerung gehalten klassifiziert werden, sind in der Berichtsperiode, in der die Kriterien des IFRS 5 (vgl. Tz. 30ff.) nicht mehr erfüllt sind, im Ergebnis aus fortzuführenden Geschäftsbereichen zu berücksichtigen (IFRS 5.28). Handelt es sich bei dem nicht mehr zur Veräußerung gehaltenen langfristigen Vermögenswert bzw. der Veräußerungsgruppe um eine Tochtergesellschaft, eine gemeinschaftliche Tätigkeit, ein Gemeinschaftsunternehmen, ein assoziiertes Unternehmen oder einen Anteil an einem solchen, so sind – bei Anwendung von IFRS 11 (IFRS 5.44G) – "die Abschlüsse für die Berichtsperioden seit der Einstufung als zur Veräußerung gehalten […] dementsprechend zu ändern" (IFRS 5.28 Satz 2; gl. A. von Keitz/Heyd, in: Thiele/von Keitz/Brücks (Hrsg.), 2017, Tz. 168). Aufgrund der unklaren Vorgaben des IFRS 5 hinsichtlich der Änderungen der Vorjahre bei Aufgabe des Veräußerungsplans eines Tochterunternehmens bestehen im Schrifttum jedoch unterschiedliche Auffassungen. So ist bspw. Lächele der Auffassung, eine Anpassung der Vorjahresangaben sei lediglich im Abschluss der laufenden Berichtsperiode zu erfolgen, in der die Reklassifizierung vorgenommen wurde (vgl. Lächele, in: Beck IFRS-Handbuch, 6. Aufl., 2020, Tz. 110). Das IFRS IC hat sich im Mai 2015 mit diesem Wiederspruch befasst und Inkonsistenzen festgestellt (vgl. IASB, May 2015). Wenngleich sich das IFRS IC für eine Anpassung der Vorjahre unter Anpassung der Vorjahreszahlen (retrospektive Anpassung) ausspricht, bestätigte es die Unklarheiten, ob sich die rückwirkende Änderung auf die Bewertung oder auch auf die Darstellung bezieht. Zwar beschloss das IFRS IC eine diesbezügliche Änderung des IFRS 5 mit dem IASB zu diskutieren, eine abschließende Klärung erfolgte bislang jedoch nicht. Somit ist auch weiterhin eine ermessensbehaftete Auslegung des IFRS 5.28 möglich (vgl. Schubert/Klein, 2020, S. 326f.; Ernst & Young, 2021, Chapter 4, Tz. 2.1.3.A).
Tz. 95
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Eine Anpassung des Buchwerts ist auch vorzunehmen, sofern der Vermögenswert vor der erstmaligen Umklassifizierung als held for sale nach der Neubewertungsmethode im Sinne des IAS 16 bzw. IAS 38 bilanziert wurde (IFRS 5.27 (a)). Der Betrag der Buchwertanpassung ist dann korrespondierend in der Neubewertungsrücklage zu erfassen (IFRS 5.28).
Tz. 96
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Eigentlich darf ein für den Geschäfts- oder Firmenwert erfasster Wertminderungsaufwand nicht mehr aufgeholt werden (IAS 36.124). Im Falle einer Planänderung findet dieses Verbot jedoch uE keine Anwendung, soweit die Abwertungen rückgängig gemacht werden, die gemäß IFRS 5 bei der Allokation eines Wertminderungsaufwands auf die Abgangsgruppe auf den Geschäfts- oder Firmenwert entfielen (vgl. Tz. 82). Voraussetzung ist allerdings, dass der erzielbare Betrag den Buchwert infolge der Erfassung des Aufwands durch die Allokation übersteigt.
Tz. 97
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Wird eine Gruppe von Vermögenswerten nicht mehr zur Veräußerung im Sinne des IFRS 5 gehalten, sind alle in der Abgangsgruppe enthaltenen Vermögenswerte, die die Voraussetzungen des IFRS 5 erfüllen, so zu bilanzieren und zu bewerten, als ob sie nie zur Veräußerung gehalten worden wären. Für die übrigen Vermögenswerte und Schulden der Abgangsgruppe, die nicht nach IFRS 5 bilanziert werden, ergibt sich ein Handlungsbedarf (zB Rückgängigmachung der getrennten Darstellung) aus den Ausweisvorschriften (vgl. Tz. 100ff.).
Tz. 98
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Ferner ist denkbar, dass nicht wie geplant die gesamte Abgangsgruppe veräußert werden soll, sondern dass nur noch einzelne Vermögenswerte der Abgangsgruppe verkauft werden sollen. Werden einzelne Vermögenswerte oder Schulden aus einer als zur Veräußerung gehaltenen Veräußerungsgruppe herausgenommen, sind diese so zu behandeln, als ob sie nie Bestandteil dieser Abgangsgruppe gewesen sind und nach IFRS 5 bilanziert wurden. Die verbleibenden Vermögenswerte und Schulden sind als Veräußerungsgruppe im Sinne des IFRS...