Dipl.-Kfm. Thomas Müller-Marqués Berger, Dr. Holger Wirtz
Tz. 91
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
Die Erbringung von Sozialleistungen (social benefits) stellt eines der primären Ziele der öffentlichen Hand dar. Die Ausgaben für Sozialleistungen sind dementsprechend einer der wesentlichen Ausgabeposten vieler Gebietskörperschaften. Der Anwendungsbereich von IPSAS 42 umfasst ausschließlich Sozialleistungen auf der Basis von Transferzahlungen. Sozialleistungen in der Form von Sachleistungen (wie etwa Gutscheine oder Kostenerstattungen) sind ausdrücklich nicht Gegenstand von IPSAS 42 (siehe IPSAS 42.AG4). Hinweise zu kollektiv oder individuell gewährten Sachleistungen (Collective and Individual Services) wurden jedoch im September 2019 durch das Board verabschiedet. Diese Hinweise wurden in die Application Guidance von IPSAS 19 aufgenommen (IPSAS 19.AG1–AG20). Ferner ist zu beachten, dass IPSAS 42 ausschließlich die Aufwandsseite und nicht die Ertragsseite von Sozialleistungen zum Gegenstand hat. So ist etwa die Bilanzierung von Sozialversicherungsbeiträgen Gegenstand von IPSAS 23 bzw. IPSAS 47. Abbildung 10 (entnommen aus IPSASB, At a Glance: IPSAS 42 Summary – Social Benefits, 2019) gibt einen exemplarischen Überblick über staatliche Leistungen, die in den Anwendungsbereich bzw. nicht in den Anwendungsbereich von IPSAS 42 fallen.
Staatliche Leistung |
Im Anwendungsbereich von IPSAS 42? |
Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung |
Ja |
Zahlungen aufgrund von Erwerbsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit (Arbeitslosenversicherung) |
Ja |
Zuwendungen oder Zuschüsse für andere Einrichtungen des öffentlichen Sektors oder Wohltätigkeitsorganisationen |
Nein |
Hilfsleistungen im Falle von Katastrophen |
Nein |
Zahlungen für Bildungsleistungen |
Nein |
Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung |
Nein |
Ausgaben für Verteidigung |
Nein |
Abb. 11: Übersicht über den Anwendungsbereich von IPSAS 42
Tz. 92
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IPSAS 42.5 definiert Sozialleistungen als Transferzahlungen
- an bestimmte Einzelpersonen und/oder Haushalte, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen,
- die Auswirkungen sozialer Risiken mildern und
- die die Bedürfnisse der Gesellschaft als Ganzes berücksichtigen.
Soziale Risiken sind in diesem Zusammenhang Ereignisse oder Umstände, die sich zum einen auf die Merkmale von Einzelpersonen und/oder Haushalten beziehen (zB Alter, Gesundheit, Armut und Beschäftigungsstatus), und die zum anderen das Wohlergehen von Einzelpersonen und/oder Haushalten beeinträchtigen können, indem sie entweder eine zusätzliche Belastung ihrer Ressourcen darstellen oder ihr verfügbares Einkommen verringern.
Tz. 93
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Hinsichtlich der Bilanzierung von Verpflichtungen aus Sozialleistungen unterscheidet IPSAS 42 zwischen dem allgemeinen Ansatz und dem alternativen Versicherungsansatz. Während der allgemeine Ansatz in IPSAS 42 im Detail dargestellt wird, wird hinsichtlich des Versicherungsansatzes lediglich auf die analoge Anwendung von IFRS 17 Versicherungsverträge verwiesen. Der alternative Versicherungsansatz kann lediglich dann verwendet werden, wenn Sozialversicherungssysteme derart ausgestaltet sind, dass sie zum einen vollständig aus Beiträgen finanziert werden und zum anderen nachgewiesen werden kann, dass die öffentliche Einheit das System genauso verwaltet wie ein Versicherer (bspw. durch die Tatsache, dass dessen Vermögens- und Ertragslage regelmäßig überprüft wird).
Tz. 94
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Der allgemeine Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass er genau definiert, zu welchem Zeitpunkt Verpflichtungen aus Sozialleistungen zu bilanzieren sind. Für die Bilanzierung einer Verbindlichkeit gemäß den IPSAS ist es entscheidend, dass ein vergangenes Ereignis vorliegt, das zu einer gegenwärtigen Verpflichtung führt (IPSASB Rahmenkonzept Abschnitt 5.14ff.). Dem allgemeinen Ansatz folgend ist eine Verbindlichkeit für Sozialleistungen erst dann anzusetzen, wenn der Begünstigte am oder vor dem Abschlussstichtag alle Zulässigkeitskriterien für den Erhalt der nächsten Zahlung erfüllt. Eine Verbindlichkeit für eine Sozialleistung ist danach immer dann zu bilanzieren, wenn die Anspruchsvoraussetzungen des Empfängers für den Erhalt der nächsten Zahlung erfüllt sind, wie beispielsweise das Erreichen des Renteneintrittsalters oder die Tatsache arbeitslos zu sein, und zudem ein konkreter Zahlungsanspruch entstanden sowie fällig ist.
Tz. 95
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
Zu beachten ist, dass jede darauffolgende Zahlung (zB die Rentenzahlung für den nachfolgenden Monat) wiederum separat daraufhin zu überprüfen ist, ob ein vergangenes verpflichtendes Ereignis vorliegt und die Ansatzkriterien erneut erfüllt sind. Hieraus ergibt sich, dass beispielsweise Verpflichtungen aus Kindergeldzahlungen nach IPSAS 42 nicht für die gesamte voraussichtliche Bezugsdauer (zB bis zum Ablauf des 18. Lebensjahres eines Kindes) zu passivieren sind; anzusetzen sind vielmehr lediglich die festgesetzten fälligen Raten, die am Stichtag noch nicht ausgezahlt wurden. Aufgrund der Tatsache, dass jede einzelne Zahlungsverpflichtung b...