Tz. 170

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Ein im aktuellen Wirtschaftsgeschehen zunehmend wichtigerer Sachverhalt sind zudem "Kryptowährungen", wie zB Bitcoin. Kryptowährungen sind – wie auch Fiatwährungen – dazu intendiert, als allgemeines Tauschmittel zu fungieren, werden mittlerweile aber auch vermehrt als Investmentvehikel, vor allem als Spekulationsobjekt, eingesetzt. Bei Kryptowährungen handelt es sich nicht um ein gesetzliches Zahlungsmittel. Vielmehr sind Kryptowährungen als privates Ersatzgeld zu charakterisieren, bei denen Transaktionen mit den Werteinheiten einer Kryptowährung über ein elektronisches Zahlungssystem abgewickelt und – ohne dass zentralisierte Intermediäre wie Banken oder andere Zahlungsabwickler involviert sind – in einer verteilten Datenbank (sog. Blockchain) gespeichert werden (vgl. hierzu insgesamt statt vieler und mwN von Wieding, 2020, S. 7–52). Fraglich ist mit Blick auf den digitalen Charakter von Kryptowährungen, ob oder unter welchen Umständen diese ggf. unter den Anwendungsbereich des IAS 38 fallen, dh. die Definitionsmerkmale für immaterielle Vermögenswerte des IAS 38.8 erfüllen und kein spezifisches scope out aus IAS 38.2f. einschlägig ist.

 

Tz. 171

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

In IAS 38.2f. wird bestimmt, dass IAS 38 nicht auf immaterielle Vermögenswerte anzuwenden ist, die in den Anwendungsbereich eines anderen Standards fallen (ausführlich vgl. Tz. 7–13). Angesichts der Charakteristika von Kryptowährungen und ihrer Verwendungsmöglichkeiten sind mit Blick auf einen potenziellen scope out vom Anwendungsbereich des IAS 38 zunächst die Normen für finanzielle Vermögenswerte (IAS 38.2 (b) iVm IAS 38.3 (e)) und für Vorräte (IAS 38.3 (a)) näher zu betrachten. Gerade eine Klassifizierung von Kryptowährungen als finanzielle Vermögenswerte wirkt zunächst vor dem Hintergrund der Verwendung von Kryptowährungen als eine Form des "Geldersatzes" intuitiv sachgerecht, da bilanzrechtliche Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente ebenfalls unter die finanziellen Vermögenswerte zu fassen sind. Daneben sind die Standards für Finanzinstrumente auch regelmäßig für Investmentvehikel einschlägig. Gleichwohl scheitert eine entsprechende Einordnung in den Anwendungsbereich von IAS 32. Dies ist zum einen damit zu begründen, dass Kryptowährungen (noch) nicht in hinreichendem Umfang die bilanzrechtlichen Geldfunktionen eines Zahlungsmittels erfüllen, insbesondere da sie – anders als staatliche Währungen – kein allgemein akzeptiertes Austauschmedium sind. Zum anderen scheidet auch eine Klassifizierung als eine andere Art von finanziellem Vermögenswert aus, da dem Inhaber einer Kryptowährung keine vertragliche Gegenpartei gegenübersteht, bei der die vertragliche Vereinbarung zu einer finanziellen Verbindlichkeit oder einem Eigenkapitalinstrument führt. Insofern sind die formalrechtlichen Anforderungen für ein Finanzinstrument nicht erfüllt (vgl. hierzu insgesamt ausführlich von Wieding, 2020, S. 105–128; Kirsch/von Wieding, IRZ 2018, S. 117f.; Freiberg, 2019, S. 151f.; AASB (Hrsg.), 2016, S. 9–12; Berger/Fischer, BB 2018, S. 1197; Keiling/Romeike, KoR 2018, S. 269f.; Thurow, IRZ 2014, S. 197f.).

Auch für zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehaltene immaterielle Vermögenswerte sieht IAS 38 einen expliziten Ausschluss von den Normen des IAS 38 vor. Diese immateriellen Vermögenswerte sind nach IAS 2 zu bilanzieren (ausführlich vgl. Tz. 11). Dieser scope out aus IAS 38 findet bei Kryptowährungen Anwendung, sofern das Kerngeschäft des berichterstattenden Unternehmens darin besteht, mit den im Bestand gehaltenen Kryptowährungen auf kurzfristiger Basis zu handeln. Dies wird regelmäßig nur für bestimmte Unternehmen, vor allem Broker und Trader, der Fall sein, die zudem vor dem Hintergrund ihres Geschäftsmodells idR die Ausnahmevorschriften für commodity broker-trader iSv. IAS 2.3 (b) zu beachten haben (vgl. hierzu ausführlich von Wieding, 2020, S. 139–148, S. 182–184 und S. 199–202). Abseits dieses spezifischen Tatbestands ist jedoch näher zu prüfen, ob die Definitionsmerkmale eines immateriellen Vermögenswertes iSd. IAS 38.8 bei Kryptowährungen erfüllt sind. Ist dies der Fall, zählen diese in den Anwendungsbereich des IAS 38 und es ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die weiteren Ansatzkriterien erfüllt sind (Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses und zuverlässige Messbarkeit; allgemein vgl. Tz. 38–40).

 

Tz. 172

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Kryptowährungen wären als immaterieller Vermögenswert iSv. IAS 38.8 zu qualifizieren, wenn sie ein identifizierbarer, nicht monetärer Vermögenswert ohne physische Substanz sind. Unzweifelhaft ist, dass es sich bei Kryptowährungen um einen Vermögenswert handelt (vgl. so auch Kirsch/von Wieding, IRZ 2018, S. 116f.; Sopp/Grünberger, IRZ 2018, S. 220f.). So kann der künftige wirtschaftliche Nutzen einer Kryptowährung dem berichterstattenden Unternehmen ua. aus dem Verkauf der Kryptowährung oder aus dem Einsatz als Tauschmittel zufließen. Als konstituierendes Merkmal der Kontrol...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Baetge, Rechnungslegung nach IFRS (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge