Prof. Dr. Jens Wüstemann, Dr. Sonja Wüstemann
Tz. 230
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Sofern bei der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen eine weitere Partei beteiligt ist, hat das Unternehmen zu beurteilen, ob es die Leistungsverpflichtung selbst ausführt und folglich als Prinzipal agiert oder ob es die Übertragung spezifizierter Güter bzw. Dienstleistungen ("specified goods or services") arrangiert und daher als Agent auftritt (IFRS 15.B34). Die Bezeichnung der spezifizierten Güter oder Dienstleistungen wurde vom IASB eingeführt, um die Verpflichtung zur Warenlieferung bzw. Leistungserbringung an den Kunden von der Leistungsverpflichtung des Agenten abzugrenzen, die in der Vermittlungsleistung zwischen dem Prinzipal und dem Kunden besteht (IFRS 15.BC385B; IFRS 15.BC380). Spezifizierte Güter oder Dienstleistungen sind dabei als eigenständige Güter oder Dienstleistungen definiert (IFRS 15.B34; IFRS 15.BC385Q). Die Einstufung als Prinzipal oder als Agent hat für jedes spezifizierte Gut bzw. Dienstleistung zu erfolgen; beinhaltet ein Vertrag mehrere spezifizierte Güter oder Dienstleistungen, kann das Unternehmen für einige als Prinzipal, für andere als Agent auftreten (IFRS 15.B34; IFRS 15.IE248A–248F).
Tz. 231
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Bei den spezifizierten Gütern oder Dienstleistungen kann es sich sowohl um Waren bzw. Dienstleistungen als auch um Rechte handeln (IFRS 15.B35A). Betreibt ein Unternehmen bspw. eine Website, auf der die Kunden Waren verschiedener Anbieter kaufen können, stellen die Produkte der einzelnen Anbieter die zu übertragenden spezifizierten Güter dar (IFRS 15.IE231–232A). Bei der Anfertigung einer spezifischen Anlage, im Rahmen derer das Unternehmen eine wesentliche Integrationsleistung an einem von einem anderen Unternehmen erhaltenen Gut durchführt, um das mit dem Kunden vereinbarte Produkt zu erstellen, gilt das kombinierte Endprodukt als das spezifizierte Gut (IFRS 15.B35A(c); IFRS 15.IE234–237A). Auch das Recht auf den Erhalt einer bestimmten Ware oder einer von einem anderen Unternehmen künftig auszuführenden Dienstleistung, wie zB beim Verkauf von Flugtickets durch ein Reisebüro oder dem Verkauf von Restaurantgutscheinen durch einen Drittanbieter, stellt ein spezifiziertes Gut oder eine spezifizierte Dienstleistung dar, da der Besitz des Tickets bzw. des Gutscheins den Anspruch auf einen konkreten Flug oder ein bestimmtes Gericht begründet (IFRS 15.B35A(b); IFRS 15.BC381; IFRS 15.BC385N(a); IFRS 15.IE239–242A; IFRS 15.IE244–247A).
Tz. 232
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Nach der Identifizierung der spezifizierten Güter oder Dienstleistungen (vgl. Tz. 49 ff.) ist für die Einstufung als Prinzipal oder Agent die Kontrolle zu überprüfen (IFRS 15.B34A). Ein Unternehmen handelt demnach als Prinzipal, wenn es die spezifizierten Güter oder Dienstleistungen kontrolliert, bevor sie an den Kunden übertragen werden (IFRS 15.B35). Die Erlangung des vorübergehenden Eigentums an einem Gut kurz vor der Eigentumsübertragung an den Kunden spricht dabei nicht zwangsläufig für die Kontrolle des Unternehmens (IFRS 15.B35). Handelt es sich bei dem spezifizierten Gut um ein Recht, besitzt das Unternehmen nur dann die Kontrolle, wenn dieses bereits vor der Übertragung auf den Kunden bestanden hat (IFRS 15.BC385O). Das Unternehmen kann ein derartiges Recht entweder übertragen, bspw. durch den Verkauf des Flugtickets an den Kunden (vgl. Tz. 231), oder es selbst ausüben und die Leistung durch ein anderes Unternehmen erbringen lassen (IFRS 15.B35A(b)). Im letztgenannten Fall erfüllt das Unternehmen seine Leistungsverpflichtung nicht selbstständig, sondern beauftragt hierfür ein anderes Unternehmen, bspw. einen Subunternehmer, der die Leistungen im Auftrag und im Interesse des Unternehmens durchführt; das Unternehmen ist dabei jedoch weiterhin für die vertragsgemäße Erfüllung verantwortlich (IFRS 15.B35; IFRS 15.BC385V).
Tz. 233
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Die Umsatzerfassung erfolgt bei Unternehmen, die als Prinzipal tätig sind, nach Maßgabe der Verpflichtungserfüllung in Höhe des Gesamtbetrags, den das Unternehmen für die Leistungserbringung erwartungsgemäß erhält (IFRS 15.B35B). Sofern der Verkaufspreis noch nicht endgültig feststeht, bspw. weil die Waren über einen Handelsintermediär verkauft werden, der einen gewissen Spielraum bei der Preissetzung besitzt, sind die Regelungen zur Schätzung des Transaktionspreises (vgl. Tz. 104–107) anzuwenden (IFRS 15.BC385X; zur Berücksichtigung von Storno- und Rücktrittsrechten im Rahmen der Transaktionspreisbemessung bei Online-Vermittlungsleistungen vgl. Walter, DB 2016, S. 306).
Tz. 234
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Besitzt ein Unternehmen keine Kontrolle über die spezifizierten Güter oder Dienstleistungen, bevor diese an den Kunden übertragen werden, agiert es als Agent (IFRS 15.B36). Die Umsatzerlöse eines Agenten sind bei Erfüllung der Leistungsverpflichtung in Höhe der jeweiligen Vergütung bzw. Provision zu erfassen, die ihm als Gegenleistung für die erbrachte Vermittlungsleistung erwartungsgemäß zusteht (IF...