Prof. Dr. Corinna Ewelt-Knauer, Dr. Julian Höbener
Tz. 10
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Mit IFRS 16.B2 enthalten die Vorgaben zur Leasingbilanzierung – analog zu IFRS 15.17 im Kontext der Umsatzerfassung aus Kundenverträgen – eine explizite Regelung zur verpflichtenden Zusammenfassung von Verträgen zu einer Bilanzierungseinheit (unit of account), die in einem zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (sog. linked transaction, vgl. zum Begriff Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 95). Für Vertragsparteien kann es vielfältige Gründe geben, eine solche gesamtheitliche Transaktion über rechtliche Einzelverträge abzuwickeln, wie bspw. juristische, steuerliche oder finanzierungsbedingte Gründe (vgl. im Kontext von Fertigungsaufträgen Brune, in: Beck IFRS-Handbuch, 5. Aufl., § 9, Tz. 27). Der Standardsetzer beabsichtigt mit der Vorgabe zur Zusammenfassung von derartigen Verträgen, dass im Rahmen der bilanziellen Abbildung nicht die rechtliche Gestaltung, sondern vielmehr die wirtschaftliche Substanz der zugrunde liegenden Gesamttransaktion im Vordergrund steht, sodass eine glaubwürdige Darstellung dieser Gesamttransaktion sichergestellt werden kann (IFRS 16.BC130; vgl. Wätjen, 2020, S. 111; allgemein zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Rahmen einer glaubwürdigen Darstellung Höbener, 2020, S. 22; von Wieding, 2020, S. 60). Werden Verträge gem. IFRS 16.B2 zusammengefasst (Aggregation), kann sich dies nicht nur auf die Allokation des vertraglich vereinbarten Entgelts auf die einzelnen Komponenten auswirken (Disaggregation; vgl. Tz. 36ff.), sondern auch auf die Identifizierung eines Leasingverhältnisses dem Grunde nach (vgl. hierzu das Beispiel bei Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 95; PwC, Manual of accounting, IFRS supplement 2020, Tz. 15.35).
Tz. 11
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Konkret sind gem. IFRS 16.B2 zwei oder mehr wirtschaftlich zusammenhängende Verträge, die gleichzeitig oder in einem geringen Zeitabstand mit derselben Gegenpartei (oder dieser nahestehenden Unternehmen oder Personen) geschlossen werden, als ein Vertrag nach den Regelungen des IFRS 16 zu bilanzieren. Damit ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Verträge gegeben ist, muss gem. IFRS 16.B2 mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt sein:
- Die Verträge sind als Paket mit einem einzigen wirtschaftlichen Zweck ausgehandelt (overall commercial objective), der ohne Bezugnahme auf die Gesamtheit der Verträge nicht verständlich ist (IFRS 16.B2 (a));
- die Höhe des im Rahmen eines Vertrags vereinbarten Entgelts hängt vom Preis oder von der Erfüllung des anderen Vertrags ab (IFRS 16.B2 (b));
- die mit den Verträgen übertragenden Rechte auf Nutzung der zugrunde liegenden Vermögenswerte (oder einige davon) stellen eine einzige Leasingkomponente gem. IFRS 16.B32 (vgl. Tz. 38) dar (IFRS 16.B2 (c)).
Ein deutlicher Hinweis auf das Vorliegen eines wirtschaftlichen Zusammenhangs sind Preisinterdependenzen zwischen verschiedenen Verträgen, wobei in diesem Fall regelmäßig zwei der drei vorgenannten Kriterien erfüllt sein werden. Ist etwa das für Leasingvertrag A vereinbarte Entgelt unverhältnismäßig niedrig, während dies durch ein vergleichsweise hohes vereinbartes Entgelt für einen zweiten, zeitgleich mit derselben Gegenpartei abgeschlossenen Leasingvertrag B kompensiert wird (Kriterium 2 gem. IFRS 16.B2 (b)), sodass in Summe ein Entgelt in – gemessen am Fair Value – angemessener Höhe vereinbart wurde, deutet dies darauf hin, dass die beiden Leasingverträge als Paket ausgehandelt wurden (Kriterium 1 gem. IFRS 16.B2 (a)) (vgl. im Kontext von Service-Leasingverträgen Wätjen, 2020, S. 115; im Kontext von IFRS 15 Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 25, Tz. 43).
Tz. 12
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Bei der Beurteilung einer möglichen Vertragszusammenfassung zu einer Bilanzierungseinheit ist zudem ein besonderes Augenmerk auf den zeitlichen Zusammenhang der abgeschlossenen Verträge zu legen. So hat sich der IASB im Kontext des Regelungspendants IFRS 15.17 – ausweislich der Basis for Conclusions zu IFRS 15 – bewusst dazu entschieden, die Zusammenfassung von Verträgen gerade nicht auf solche Verträge auszuweiten, die in keinem zeitlichen Zusammenhang stehen (IFRS 15.BC75 iVm. IFRS 15.BC72; vgl. auch Wätjen, 2020, S. 112; Schild, KoR 2019, S. 12f.). Schließlich soll die Vorgabe zur Zusammenfassung von Verträgen nicht dazu führen, dass zu viele Verträge zusammengefasst werden ("unintended consequence of an entity combining too many contracts"), da dies wiederum einer glaubwürdigen Darstellung entgegenstehen könnte (IFRS 15.BC75). Vor dem Hintergrund, dass die Regelungen zur Vertragszusammenfassung gem. IFRS 15.17 einerseits und IFRS 16.B2 andererseits inhaltlich übereinstimmen (IFRS 16.BC132), können diese Absichten unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz auf den Leasingkontext wohl unmittelbar übertragen werden. Eine Zusammenfassung von Verträgen gem. IFRS 16.B2, die in keinem zeitlichen Zusammenhang stehen, scheidet also i...