Clemens Jungsthöfel, Katharina Rohde
Tz. 99
Stand: EL 54– ET: 10/2024
IFRS 17 enthält spezifische Anpassungen der Ansatz- und Bewertungsregelungen für Forderungen oder Verbindlichkeiten aus gehaltenen Rückversicherungsverträgen (zur Definition vgl. Tz. 37), also den vom abgebenden Unternehmen (Zedenten) auszuweisenden Anteilen des Rückversicherers an den Versicherungsverträgen.
Konzeptionell sieht IFRS 17 eine separate Betrachtung der Versicherungsverträge des Zedenten und der im Rahmen der passiven Rückversicherung abgegebenen Risiken vor, da der Zedent regelmäßig keine Möglichkeit hat, seine Verpflichtungen aus den unterliegenden Erstversicherungsverträgen gegen Forderungen aus der Rückversicherungsabgabe aufzurechnen (IFRS 17.BC298; vgl. IASB, 2018, S. 5).
Ein Rückversicherungsvertrag kann im Sinne des IFRS 17 nicht onerous sein, daher sind die Regelungen zur Bewertungsebene und zum Aggregationsgrad (vgl. Tz. 42ff.) modifiziert worden. Denn für eine GIC an passiven Rückversicherungsverträgen (inkl. Einzelvertrag) erwartet der Zedent entweder Nettokosten für den Rückversicherungseinkauf oder, in manchen Fällen, einen Nettogewinn aus der Rückversicherung. Der erstmalige Ansatz der passiven Rückversicherung erfolgt grundsätzlich mit Beginn der Deckung, so bspw. bei nicht proportionaler Rückversicherung (IFRS 17.62 (a)). Bei proportionalen Rückversicherungsverträgen erfolgt ein Ansatz allerdings erst dann, wenn der erste rückversicherte Versicherungsvertrag erfasst wurde (IFRS 17.62A).
Auf die passive Rückversicherung ist grundsätzlich der GMM anzuwenden, allerdings unter Berücksichtigung einiger Modifikationen (IFRS 17.60–70A). Im GMM sind die Forderungen grundsätzlich eigenständig zum Erfüllungswert unter Ansatz einer CSM zu bewerten, es sind jedoch konsistente Annahmen zu den zedierten Vertragsteilen zu verwenden (IFRS 17.63). Die Risikoanpassung für nichtfinanzielle Risiken (RA) weicht von IFRS 17.37 ab und ist stattdessen so zu bestimmen, dass dieser Betrag der Höhe des Risikos entspricht, das vom Zedenten auf den Rückversicherer übertragen wird (IFRS 17.64). Der Erfüllungswert der Rückversicherungsforderung ist ein Spiegelbild des Erfüllungswertes des rückversicherten Teils des zedierten Vertragsbestandes. Zu berücksichtigen ist in dem Erfüllungswert nach IFRS 17.63 allerdings zusätzlich das aus Sicht des Zedenten bestehende Forderungsfallrisiko sowie das Risiko möglicher Auseinandersetzungen zwischen dem Zedenten und Rückversicherer hinsichtlich des Vorliegens einen durch den Rückversicherer zu deckenden Schadens, wobei auch gestellte Sicherheiten zu bewerten sind (IFRS 17.63; vgl. Ellenbürger et al., 2020, Tz. 103).
Tz. 100
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Der og. Tatsache, dass der Zedent aus der Rückversicherungsabgabe keinen "unrealisierten Gewinn", sondern entweder Nettokosten oder (ausnahmsweise) einen Nettogewinn erwartet, wird auch im Rahmen der Ermittlung der vertraglichen Servicemarge Rechnung getragen: Das abgebende Unternehmen hat beim erstmaligen Ansatz jegliche Nettokosten oder Nettogewinne gehaltener Rückversicherungsverträge als CSM auszuweisen. Dadurch führt einerseits die Annahme von Rückversicherung nicht zu einem (sofortigen) Gewinn und andererseits werden die Kosten der Rückversicherungsabgabe über die Laufzeit verteilt (vgl. Ellenbürger et al., 2020, Tz. 103 nebst Rechenbeispiel). Hierdurch wird noch einmal klargestellt, dass Verträge im Rahmen der passiven Rückversicherung nicht onerous sein können. Der vom Zedenten zu leistende Rückversicherungsbeitrag übersteigt im Regelfall den Erfüllungswert aus Rückversicherung. Daher entsteht meistens ein Nettoaufwand und entsprechend eine aktivische CSM.
Von der vorgenannten Bilanzierung wird in zwei Fällen abgewichen:
- Bezieht sich die Rückversicherungsdeckung auf bereits vergangene Ereignisse, bspw. durch die Übernahme von Abwicklungsrisiken aus angefallenen Schäden, sind die Kosten sofort erfolgswirksam zu erfassen (IFRS 17.65A iVm. IFRS 17.B5).
- Wenn der Verlust aus einer GIC an Versicherungsverträgen durch bereits vorher abgeschlossene Rückversicherungsverträge gedeckt ist, dann ist die CSM sofort entsprechend zu vereinnahmen (IFRS 17.66A).
Für die Folgebewertung der passiven Rückversicherung sieht IFRS 17.66 leicht abweichende Regelungen vor.
Tz. 101
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Wie oben ausgeführt, kann sich die Bilanzierung beim abgebenden Unternehmen (Zedenten) von der Bilanzierung beim übernehmenden Rückversicherer oder Retrozessionär durchaus unterscheiden. Nach IFRS 17.86 kann das abgebende Unternehmen Erträge und Aufwendungen aus einer Gruppe von gehaltenen Rückversicherungsverträgen (sofern es sich nicht um versicherungstechnische Finanzerträge-/Aufwendungen handelt) saldiert oder separat ausweisen. Bei einem getrennten Ausweis sind Zahlungen des Rückversicherers für Schäden dort zu verrechnen und vom Schadenverlauf unabhängige Zahlungen (zB Rückversicherungsprovisionen) als Minderung der an den Rückversicherer zu zahlenden Prämien zu behandeln (IFRS 17.86 (b)). Der zu bilanzierende...