Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 296
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
IFRS 10 sieht keine explizite Ausnahme von der Pflicht zur Vollkonsolidierung vor. Für alle Bereiche der IFRS-Rechnungslegung gilt indes die Ausnahme wegen untergeordneter Bedeutung bzw. mangelnder Wesentlichkeit (CF.2.11CF 2 (2018); IAS 1.11 sowie IAS 1.29; IAS 8.5; zur policy decision aber vgl. Tz. 216). Die einzelnen Konsolidierungsmaßnahmen dürfen demnach unterbleiben, wenn die fehlende Konsolidierung einzeln oder insgesamt die auf der Basis des Abschlusses getroffenen wirtschaftlichen Entscheidungen der Adressaten nicht beeinflussen. Danach darf auf die Konsolidierungsmaßnahmen verzichtet werden, wenn die wegzulassenden Beträge für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen der wirtschaftlichen Lage des Konzerns entsprechenden Bildes von untergeordneter Bedeutung sind.
Tz. 297
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Wann die im Zuge der Konsolidierung zu eliminierenden Beträge unwesentlich sind, kann nicht allgemeingültig angegeben werden. Die Konkretisierung der Wesentlichkeit ist vielmehr stets sachverhaltsabhängig, dh. unter den besonderen Umständen der Unterlassung einer Angabe, und unter Berücksichtigung des Einflusses auf die Entscheidungen der Adressaten festzulegen.
Tz. 298
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
In jedem Fall ist eine Gesamtbeurteilung aller zu konsolidierenden Sachverhalte von untergeordneter Bedeutung im Hinblick auf die Unwesentlichkeit (immateriality) erforderlich. Dabei gilt das Prinzip des doppelten Minimums: Die Unwesentlichkeit muss für alle betroffenen Konsolidierungsmaßnahmen eines einbezogenen Unternehmens isoliert – also jeweils separat für die Effekte aus der Schuldenkonsolidierung, aus der Zwischenergebniseliminierung und aus der Aufwands- und Ertragskonsolidierung – und im Verbund – also für die kumulierten Effekte der genannten Konsolidierungsmaßnahmen – geprüft werden. Nur wenn beide Prüfungen ergeben, dass die betreffenden Konsolidierungen von untergeordneter Bedeutung sind, darf auf sie verzichtet werden. So darf zB auf die Zwischenergebniseliminierung nur verzichtet werden, wenn (1) die kumulierten Zwischenergebnisse im Verhältnis zum Konzernergebnis unbedeutend sind und wenn (2) zudem der Verzicht auf die Schuldenkonsolidierung und/oder auf die Aufwands- und Ertragskonsolidierung zusammen mit der Zwischenergebniseliminierung von untergeordneter Bedeutung wären (vgl. analog zur deutschen Regelung ADS, 6. Aufl., § 303 HGB, Tz. 49).
Tz. 299
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Fraglich ist, ob auch – wie für einzelne Konsolidierungsmaßnahmen vereinzelt in der Literatur postuliert – aufgrund der vom IASB im Rahmenkonzept formulierten Kosten-Nutzen-Abwägung (CF 2.22ff. (2018)) auf einzelne oder sogar sämtliche Konsolidierungsmaßnahmen verzichtet werden kann. Der Nutzen von Informationen ist indes weder allgemein noch für einzelne Adressaten zu konkretisieren. Dazu kommt, dass Informationen nicht immer unmittelbar demjenigen dienen, der die Kosten zu tragen hat. Ein Verzicht auf Konsolidierungsmaßnahmen aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen ist daher nach hier vertretener Auffassung mit den IFRS nicht vereinbar, zumal die Information der Adressaten das übergeordnete Ziel eines Konzernabschlusses nach IFRS darstellt.